Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
ihres göttlichen Erbes würdig erweisen konnten.
    Wer oder was hatte sie getötet?
    Dunaris fuhr herum – die Fackel fauchte. Da war ein Geräusch gewesen. Ein Klicken.
    Er hielt den Atem an, starrte in die Finsternis. Da war es wieder. Ein Laut, als schnalze jemand mit der Zunge, um ihn zu verspotten.
    Etwas näherte sich ihm. Er konnte es spüren.
    Dunaris beschloss, sich zurückzuziehen. Er würde einen Kampf gegen den Bewohner dieser Höhlen so lange wie möglich hinauszögern. Ohne den Tunnel, aus dem die Geräusche gekommen waren, aus den Augen zu lassen, ging er weiter, folgte dem breiten Stollen, bis er sich sicherer fühlte. Er besaß einen sechsten Sinn für Gefahren und spürte: Das Wesen war ihm nicht gefolgt.
    Die Felswände des Ganges verschwanden, als sich vor ihm eine riesige Grotte auftat. Luft wehte ihm ins Gesicht – sie roch frisch und klar. Dunaris' Lippen formten ein Lächeln, und zügig durchquerte er die Kaverne.
    Ein schmaler Streif Helligkeit erschien zwischen den Felsvorsprüngen. Tageslicht. Es sickerte durch eine Felsspalte auf der anderen Seite des unterirdischen Doms. Die Öffnung führte zweifellos ins Freie, und mit etwas Glück könnte er sich hindurchzwängen.
    Über ihm klickte es.
    Ruckartig blieb Dunaris stehen. Schatten wandten sich in der Dunkelheit wie ein Nest von Nattern. Etwas reflektierte das Licht seiner Fackel. Ein riesiges Auge. Das zuckende Gebilde fiel vor ihm zu Boden, landete mit einem schmatzenden Laut auf dem Fels, öffnete sich wie eine Blüte – und kam auf ihn zu.
    Während seiner Reisen hatte Dunaris so manche Abscheulichkeit gesehen: missgebildete Monster, Untote, Dämonen aus anderen Welten. Doch das Ch'rii übertraf alles. Es bestand nur aus Tentakeln. Zehn, zwölf oder noch mehr Fangarme, jeder so lang wie zwei Männer, schossen durch die Luft, bewehrt mit Hornkrallen, die sich an Unebenheiten im Fels festklammerten. Die Fühler zogen sich zusammen, lösten sich, suchten neuen Halt, was dem Monstrum eine beachtliche Schnelligkeit und Beweglichkeit verlieh. In der Mitte des Tentakelnestes saß ein fleischiger Wulst mit einem dornartigen Schnabel, der unablässig klickte. Darüber glitzerte ein kopfgroßes Auge, dessen drei Lider sich weit öffneten, während das monströse Sehorgan Dunaris voller Gier anstarrte.
    Das Ch'rii versperrte ihm den Weg. Unmöglich, an dem Ungeheuer vorbeizukommen und zur Felsspalte zu laufen. Er wirbelte herum und ergriff die Flucht.
    Er hetzte durch den Tunnel, sprang über Spalten im Boden, setzte über Geröllhaufen hinweg. Das Ch'rii war dicht hinter ihm, hangelte sich an Felsvorsprüngen entlang, zuckte und wand und schlängelte sich durch die Dunkelheit, und der Schnabel klickte voller Vorfreude auf das köstliche Mahl. Einmal berührte ihn ein Tentakel an der Schulter. Dunaris schrie vor Schmerz, als die Hornkrallen sein Wams aufschlitzten und die Haut aufrissen.
    Er durfte nicht in diesem Stollen bleiben – er war zu hoch, zu breit. Das Ch'rii konnte sich darin zu geschickt bewegen und würde ihn früher oder später mit seinen Fangarmen zu Fall bringen. Er schlüpfte in einen niedrigen Gang zu seiner Linken, zog den Kopf ein, während er weiterrannte, und betete unterdessen, dass er nicht in einer Sackgasse gelandet war.
    Er warf einen Blick über die Schulter und sah, dass sich das Ch'rii am äußersten Rand des Fackellichts durch die enge Öffnung zwängte. Da sein Körper keinerlei Knochen zu enthalten schien, konnte es seinen massigen Leib derart verformen, dass er durch den schmalen Durchlass passte. Doch Dunaris' Plan war aufgegangen: Das Monstrum kam nur noch langsam voran, und mit jedem Schritt vergrößerte sich sein Vorsprung.
    Die Beschaffenheit des Tunnels veränderte sich; natürlich gewachsener Fels wich behauenen Wänden. Uralte und morsche Holzbalken stützten die niedrige Decke. Als Dunaris einen davon im Vorbeilaufen streifte, rieselten Staub und kleine Steine von der Decke.
    Ein Loch im Boden schnitt ihm den Weg ab, gähnend und schwarz. Es war nicht sehr breit, höchstens drei, vier Schritte, aber um darüberzuspringen, brauchte er Anlauf. Es klickte, als das Ch'rii aufholte. Ein Tentakel schoss vor und schlang sich um seinen Oberarm. Er ließ die Fackel fallen, als er herumgerissen wurde und sich der schleimige Muskelstrang immer fester zusammenzog. Er schlug mit dem Schwert zu, zweimal, dreimal, schwarzes Blut spritzte, der Tentakelstumpf peitschte durch die Luft, das Ch'rii zischte vor Schmerz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher