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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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und wich zurück. Voller Ekel schüttelte Dunaris das leblose Stück Fangarm ab, hob die Fackel auf, nahm zwei Schritte Anlauf und sprang.
    Er landete auf der anderen Seite der Felsspalte, hart an der Kante. Sein rechter Fuß rutschte ab, Steine polterten in die Tiefe, als er mit den Armen ruderte und um sein Gleichgewicht kämpfte. Er ließ das Schwert fallen und hielt sich an einem Balken fest, der gefährlich knirschte. Mit äußerster Vorsicht zog er sich nach vorne, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Sein Schwert war verschwunden. Es musste ins Loch gefallen sein.
    Das Ch'rii hatte nicht aufgegeben – im Gegenteil, die Verletzung schien die Blutgier des Monsters noch zu verstärken. Mit klickendem Schnabel und wimmelnden Tentakeln zwängte es sich durch den Gang und näherte sich der Felsspalte, die kein Hindernis für das Ungeheuer darstellte.
    Dunaris trat gegen einen Stützbalken. Der Pfeiler war derart morsch, dass er in der Mitte durchbrach. Schutt und Felsbrocken lösten sich von der Tunneldecke und prasselten zu Boden. Dunaris schaffte es gerade noch, in den angrenzenden Raum zu schlüpfen und dem Einsturz auf diese Weise zu entgehen. Als das Getöse verstummte und sich der Staub legte, sah er, dass Steine und Geröll den Gang vom Boden bis zur Decke blockierten.
    Er ließ den angehaltenen Atem entweichen. Hatte er das Ch'rii getötet? War es unter den Schuttmassen begraben worden? Er lauschte und vernahm scharrende Geräusche. Nein. Es lebte und räumte bereits die Steine zur Seite, fest entschlossen, sich seine Beute nicht entgehen zu lassen.
    Gleichwohl hatte er eine Atempause gewonnen. Er sah sich um und stellte fest, dass er sich in einer runden Halle befand, mit gemauerten Wänden und einem Boden aus achteckigen Steinplatten. In der Decke klaffte ein Schacht; darunter lagen Knochen, keine menschlichen diesmal, sondern tierische, soweit er erkennen konnte, Überreste von Ziegen, Schafen, Schweinen. Licht fiel durch die Öffnung, glühend und rot wie die letzten Augenblicke des Sonnenuntergangs.
    Er trat zur Mitte des Saales und blickte nach oben. Die senkrechte Röhre maß viele Mannslängen und führte vermutlich zu den Tempelräumen im Innern des Berggipfels. Das Licht kam von zwei schmiedeeisernen Becken links und rechts des Schachts, in denen Kohlefeuer loderten.
    Opfergaben. Oder Futter
, dachte Dunaris mit Blick auf die abgenagten Knochen. Offenbar warfen die Suul dem Ch'rii Schlachtvieh zum Fraß vor, wenn gerade kein zukünftiger Shegeth-Shemai zur Hand war.
    Eine Präsenz griff mit unsichtbaren Fingern nach ihm. Eine Präsenz, die ihm nur allzu vertraut war.
    Der Seelenkristall. Er ist hier.
    Seelenkristalle waren viele tausend Jahre alt und stammten aus der Morgendämmerung der Welt. Niemand wusste, wer sie einst geschaffen hatte. Sie enthielten die Lebensenergie übernatürlicher Wesenheiten, was sie zu einem begehrten Werkzeug für Magier, Alchemisten und Elementaristen aller Herren Länder machte. In den legendären Automatenkriegen etwa hatten findige Priester-Techniker sie benutzt, um gewaltige Kriegsmaschinen aus Messing und Stahl anzutreiben, die ganze Städte und Armeen vernichten konnten. Einige dieser bizarren Waffen lagen immer noch in den Ebenen südlich des Vinarigebirges, halb im rotbraunen Sand versunken, und rosteten seit Jahrhunderten vor sich hin. Chymische Mechaniker aus Drokal und anderen Metropolen des Südens versuchten beharrlich, ihre Funktionsweise zu entschlüsseln und sie nachzubauen, weshalb sie für Seelenkristalle horrende Summen zahlten, obwohl ihre Bemühungen bisher vergeblich gewesen waren.
    Sie sind uns zuvorgekommen
.
Die Suul haben den Kristall aus der Ruine geholt und in ihren Tempel gebracht, warum auch immer.
Die Entität, die darin eingeschlossen war, musste außerordentlich mächtig sein. Andernfalls hätte Dunaris, der einen ganzen Steinwurf von dem Kristall entfernt war, ihre Präsenz nicht spüren können.
Vielleicht ein höherer Elementargeist. Oder ein Thol-holoth aus der Niederwelt.
    Der Schutt hinter ihm geriet ins Rutschen. Dunaris hob die Fackel und sah mehrere Steine aus dem Gang rollen. Lange würde der Geröllhaufen das Ch'rii nicht mehr aufhalten. Und wenn es durchbrach, würde er kämpfen müssen, denn in diesem Raum saß er in der Falle. Er war ein ausgezeichneter Kämpfer, doch er bezweifelte, dass er diesem Untier gewachsen wäre. Es war zu groß, zu schnell, zu stark für einen einzelnen Mann. Die wimmelnden
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