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Flöte und Schwert

Flöte und Schwert

Titel: Flöte und Schwert
Autoren: Christoph Lode
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leisten können. Wenn er wollte, jeden Tag.
    Die Umrisse eines riesigen Quaders tauchten vor ihm auf. Dunaris’ Atem beschleunigte sich. Er konnte verstehen, warum das Monument den Leuten Angst einjagte. Größer als so mancher Palast, zeugte es von dem Versuch, der Vergänglichkeit zu trotzen. Als Dunaris sich näherte, gewann er den Eindruck, das Mausoleum lösche die Sterne aus. Die haushohen Mauern waren mit Platten aus schwarzem Marmor verkleidet, in unregelmäßigen Abständen hatten die Baumeister verschlungene Reliefs eingefügt. Das vage Gefühl der Bedrohung, das Dunaris die ganze Zeit verspürt hatte, intensivierte sich. Aphragus hatte sich wahrhaftig ein Denkmal geschaffen, das ihm gerecht wurde - in jeder Hinsicht.
    Wachsam überquerte er den Platz, auf dem das Mausoleum stand.
    Stufen führten zum eisernen Tor hinauf. Eine tiefe Ruhe verdrängte alle anderen Gefühle, wie immer, wenn Dunaris seiner Arbeit nachging. Im Grunde führte er einen ganz gewöhnlichen Einbruch durch. Machte es einen Unterschied, dass er in das Haus eines Toten eindrang? Während er sorgfältig das mit Reliefs versehene Portal abtastete, rief er sich noch einmal das Gespräch mit seinem Auftraggeber ins Gedächtnis.
    „Kajas Licht muss dort sein!“, hatte Trojus gesagt. Seine Hand fuhr über einen Stapel aus alten Dokumenten. „Die Aufzeichnungen lassen daran keinen Zweifel.“
    Dunaris hatte sich zurückgelehnt und amüsiert die Weinflasche betrachtet. Der winzige Wassergeist darin reckte seinen Dreizack in die Höhe und tauchte flink wie ein Seehund in das rubinfarbene Getränk ein. Eine hübsche Illusion. Die Leidenschaft des Kaufmannes für magische Spielzeuge und Artefakte war legendär. Sie hatte schon so manchem Dieb ein großzügiges Auskommen beschert. „Du kennst die Geschichten, die man sich über das Mausoleum erzählt“, sagte Dunaris schließlich.
    „Deswegen habe ich dich ausgewählt“, erwiderte Trojus.
    „Ich bin kein Geisterjäger.“
    „Aber der beste Dieb von Kaman-Share. Du kannst es schaffen.“ Er füllte Dunaris’ Weinkelch.
    Der Dieb nahm einen Schluck und musterte sein Gegenüber. Die Hände des Kaufmannes nestelten unruhig an einem Federkiel, seine Augen leuchteten.
    „Dein Angebot?“
    „Sechs Goldmünzen.“
    Dunaris ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken. Hatte Trojus den Verstand verloren? Die verzauberte Lampe musste ihm wirklich viel bedeuten. „Acht Goldmünzen“, sagte er ruhig.
    Trojus kicherte. „Wahrhaftig, du enttäuschst mich nicht. Einverstanden. Und ich werde dafür sorgen, dass der Magistrat gewisse Dinge deine Vergangenheit betreffend, nun, vergisst.“
    Nun lächelte auch Dunaris. Der Einfluss des Kaufmanns erstaunte ihn immer wieder. „Erzähl mir etwas über Kajas Licht.“
    Glücklich über den gelungenen Handel, machte Trojus es sich in seinem Lehnstuhl bequem und begann mit der Geschichte des Artefakts ...
    Dunaris’ Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Wie er erwartet hatte, wies das Portal des Mausoleums keinen gewöhnlichen Öffnungsmechanismus auf. Seine Finger wanderten über die Darstellungen von uralten Götzen und Elementargeistern, verharrten auf dem Auge eines Fischwesens. Da! Dunaris verstärkte den Druck seiner Finger, und das steinerne Auge sank ein. Lautlos öffneten sich die Torflügel, gaben den Blick auf tintenschwarze Finsternis frei. Ein Hauch von Moder lag in der Luft.
    Mit einer Fackel in der Hand betrachtete er die Baupläne, die Trojus ihm beschafft hatte. Das Mausoleum verfügte über drei Stockwerke. Verborgene Treppen verbanden die Ebenen miteinander. Unzählige Kammern und Flure bildeten ein Labyrinth. Das Studium der verworrenen Konstruktionszeichnungen ließ nach einer gewissen Zeit die Augen schmerzen. Die Alten erzählten sich, Aphragus’ Geisteszustand sei kurz vor seinem Tod nicht der beste gewesen. Das Mausoleum wirkte wie der steingewordene Ausdruck seines Wahnsinns.
    Dunaris schob die gefalteten Pläne hinter seinen Gürtel und betrat das Grab. Der Fackelschein kroch über einen staubigen Boden. Die Halle musste groß sein, sehr groß. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen - niemand konnte wissen, welche Teufeleien Aphragus’ verdrehter Geist beim Bau des Mausoleums geboren hatte. Trapezförmige Durchgänge gähnten in den Wänden, und plötzlich verspürte Dunaris ein Ziehen im Nacken, als würde er beobachtet. Unsinn , schalt er sich.
Das hier ist ein Routineauftrag, nichts weiter.
Unbewusst
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