Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
Unterstützung brauchte, hat er mir seinen ganzen bekloppten Plan erzählt, mit der Rache, der Pest, den Flöhen und all dem Kram. Ich wußte über die kleinsten Einzelheiten Bescheid, stundenlang hat er mir davon erzählt. Die Namen der Typen, die er wiedergefunden hatte, die Adressen, alles. Ich habe nicht eine Minute geglaubt, daß seine bescheuerten Flöhe auch nur irgendwen umbringen würden. Logischerweise habe ich meinen Plan geändert, versetzen Sie sich in meine Lage. Warum hätten wir uns mit zwei Dritteln begnügen sollen, wenn wir alles bekommen konnten? Der Damas hatte den Namen, und das war schon enorm. Und wir hatten nichts. Das Beste war noch, daß der Damas die Kohle seines Vaters auf keinen Fall anrühren wollte, er sagte, das wäre verflucht und verkommen. Ganz nebenbei: Ich habe den Eindruck, daß er auch nicht gerade viel Spaß hatte, als er klein war.
    Ich spute mich. Wir brauchten den Damas nur seine Show abziehen zu lassen und dann hinter ihm zu töten. Wenn wir seinen Plan vollendeten, würde der Damas lebenslänglich in den Knast kommen. Nach den acht Morden hätte ich die Bullen ganz einfach auf seine Fährte gesetzt. Das Spielchen kann ich ziemlich gut. Da er mir aus der Hand gefressen hat, habe ich sein gesamtes Vermögen verwaltet, das heißt, ich hab's ihm zusammen mit Antoine geklaut, und tschüs, das war nur gerecht. Antoine mußte mir nur gehorchen und töten, das war gut aufgeteilt, und das gefällt ihm, sowohl das Gehorchen wie das Töten. Ich bin nicht so robust und mag das nicht so besonders. Ich habe ihm geholfen, die beiden Kerle rauszulocken, Viard und Clerc, als alles voll mit Bullen war, und Antoine hat sie einen nach dem anderen erledigt. Deshalb sage ich Ihnen, es ist nicht Antoines Schuld. Er hat mir gehorcht, er kann nichts anderes. Wenn ich ihn auffordern würde, einen Eimer Wasser vom Mars zu holen, würde er, ohne mit der Wimper zu zucken, gehen. Es ist nicht seine Schuld. Wenn er in ein Pflegeheim kommen könnte, irgendwas Intensives, Sie verstehen, dann wär das gerechter, denn logischerweise ist er nicht verantwortlich. Er hat nichts im Hirn.
    Der Damas hat erfahren, daß die Leute gestorben sind, und hat sich nicht weiter gekümmert. Er war überzeugt, daß da die »Kraft der Journots« am Werk war, und wollte nichts mehr davon wissen. Was für ein Blödhammel. Wenn Sie nicht aufgetaucht wären, hätte ich ihn drangekriegt. Der täte auch gut daran, sich behandeln zu lassen, auch irgendwas Intensives.
    Bei mir geht's. Mir mangelt's nie an Ideen, wegen meiner Zukunft laß ich mir keine grauen Haare wachsen, machen Sie sich keine Sorgen. Wenn der Damas ein bißchen von seiner verdorbenen Kohle an Mama schicken könnte, wär das kein Schaden für niemanden. Vergessen Sie vor allem Antoine nicht, ich verlaß mich auf Sie. Küsse an Lizbeth und diesen armen Dussel Eva. Ich umarme Sie, Sie haben alles zum Platzen gebracht, aber ich mag Ihre Art. Ohne Groll
    Marie-Belle
     
    Adamsberg faltete den Brief zusammen und blieb, die Faust auf den Lippen, lange im dunklen Treppenhaus sitzen.
    In der Brigade öffnete er wortlos die Zelle von Damas und gab diesem ein Zeichen, ihm zu folgen. Damas nahm sich einen Stuhl, warf seine Haare nach hinten und sah ihn aufmerksam und geduldig an. Adamsberg streckte ihm, noch immer wortlos, den Brief seiner Schwester hin.
    »Ist das für mich?« fragte Damas.
    »Für mich. Lies.«
    Damas verkraftete den Schock nur schwer. Der Brief baumelte zwischen seinen Fingern, den Kopf hatte er auf die Hand gestützt, und Adamsberg sah, wie ihm Tränen auf die Knie tropften. Es war viel Neues auf einmal, der Haß eines Bruders und einer Schwester und die völlige Haltlosigkeit des Glaubens an die Macht der Journots. Leise setzte sich Adamsberg ihm gegenüber und wartete ab.
    »In den Flöhen war nichts?« flüsterte Damas schließlich, den Kopf noch immer gesenkt.
    »Nichts.«
    Wieder schwieg Damas lange Zeit, die Knie mit den Händen umklammert, als hätte er etwas Grauenhaftes zu trinken bekommen, das er nicht schlucken konnte. Adamsberg konnte fast zusehen, wie das Gewicht der Wirklichkeit auf ihn niederstürzte wie eine furchterregende Masse, seinen Schädel zum Platzen brachte, seine Welt, die rund war wie ein Ball, explodieren ließ und alles, woran er geglaubt hatte, in Schutt und Asche legte. Er fragte sich, ob der Mann mit einer derartigen Last, die wie ein Meteor auf ihn gefallen war, das Büro noch aufrecht würde verlassen können.
    »Es gab
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher