Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
an die Presse, und der Ölfleck erreicht dieses Miststück binnen zwei Tagen. Dann muß er nur noch drauf ausrutschen und stürzen. Dann liefern wir ihn vor Gericht ab.«
    »Wunderbar«, sagte Danglard. »Was die Mutter von Hurfin angeht...«
    »Später, Danglard, ich muß zu deren Sohn.«
     
    Die Beamten der Nachtschicht hatten ihren Bericht auf den Tisch gelegt. Antoine Hurfin, dreiundzwanzig Jahre, geboren in Vétigny und wohnhaft in Romorantin, Loiret-Cher, hatte hartnäckig an seiner ersten Aussage festgehalten und dann mit einem Anwalt telefoniert, der ihm geraten hatte, die Klappe zu halten. Seitdem war Antoine Hurfin verstummt.
    Adamsberg stand vor der Zelle. Der junge Mann saß auf seiner Pritsche, preßte die Zähne aufeinander, ließ eine unendliche Zahl kleiner Muskeln in seinem knochigen Gesicht spielen und die Gelenke seiner mageren Finger knacken.
    »Antoine«, sagte Adamsberg, »du bist der Sohn von Antoine. Du bist ein Heller-Deville, der um alles gebracht wurde. Um die Anerkennung, um den Vater, um das Geld. Dafür wahrscheinlich mehr als ausreichend versorgt mit Schlägen, Backpfeifen und Verzweiflung. Auch du schlägst zu und prügelst. Du verprügelst Damas, den anderen Sohn, den anerkannten, den vermögenden. Deinen Halbbruder. Der genausoviel aushalten mußte, wie du dir denken kannst. Derselbe Vater, dieselben Backpfeifen.«
    Hurfin schwieg weiter und warf dem Bullen einen Blick zu, der haßerfüllt und verletzlich zugleich war.
    »Dein Anwalt hat dir gesagt, du sollst die Klappe halten, und du gehorchst. Du bist diszipliniert und gefügig, Antoine. Das ist selten bei einem Mörder. Wenn ich deine Zelle beträte, wüßte ich nicht, ob du dich auf mich stürzen würdest, um mir die Kehle durchzuschneiden, oder ob du dich in einer Ecke zusammenrollen würdest. Oder beides. Ich weiß nicht einmal, ob du dir bewußt bist, was du tust. Du bist ganz Tat, und ich weiß nicht, wo dein Denken ist. Damas dagegen ist ganz Denken, aber gänzlich machtlos. Einer wie der andere zerstörerisch, du mit deinen Händen, er mit seinem Kopf. Hörst du mir zu, Antoine?«
    Der junge Mann zitterte, rührte sich aber nicht.
    Dieses gequälte und zuckende Gesicht betrübte Adamsberg fast ebensosehr wie die inkonsequente Unerschütterlichkeit von Damas. Adamsberg ließ das Gitter los und ging. Heller-Deville senior konnte stolz auf sich sein.
    Die Zellen von Clémentine und Damas lagen auf der anderen Seite des Gebäudes. Clémentine hatte eine Partie Poker mit Damas begonnen, sie tauschten die Karten zwischen den Zellen aus, indem sie sie über den Boden schubsten. Da sie keinen anderen Einsatz hatten, setzten sie Kekse.
    »Haben Sie schlafen können, Clémentine?« fragte Adamsberg, als er die Gittertür öffnete.
    »Gar nicht so schlecht«, erwiderte die alte Frau. »Natürlich nicht zu vergleichen mit zu Hause, auch wenn das hier mal was anderes ist. Wann kommen ich und der Kleine raus?«
    »Oberleutnant Froissy wird Sie in den Waschraum begleiten und Ihnen Wäsche zum Wechseln geben. Wo haben Sie die Karten her?«
    »Das war Ihr Brigadier Gardon. Wir hatten gestern einen schönen Abend.«
    »Damas«, sagte Adamsberg, »mach dich bereit. Danach bist du dran.«
    »Womit?« fragte Damas.
    »Dich zu waschen.«
    Hélène Froissy führte die alte Frau weg, und Adamsberg ging zur Zelle von Kevin Roubaud.
    »Du kommst raus, Roubaud, steh auf. Du wirst verlegt.«
    »Mir geht's gut hier«, sagte Roubaud.
    »Du kommst auch wieder«, erklärte Adamsberg und öffnete weit die Gittertür. »Du wirst der Körperverletzung und der Vergewaltigung beschuldigt.«
    »Scheiße«, entgegnete Roubaud, »ich hab doch nur den Rückweg gesichert.«
    »Anscheinend war das ein ziemlich brutaler Rückweg. Du warst der sechste auf der Liste. Also einer der gefährlichsten.«
    »Verdammt, ich bin doch gekommen, um Ihnen zu helfen. Zusammenarbeit mit der Justiz, so was zählt schließlich, oder?«
    »Hau ab. Ich bin nicht dein Richter.«
    Zwei Beamte führten Roubaud aus der Brigade. Adamsberg sah in sein Notizbuch. Akne, Unterbiß, feinfühlig gleich Maurel.
    »Maurel, wer hat die Wache vor der Wohnung von Marie-Belle abgelöst?« fragte er und sah auf die Wanduhr.
    »Noèl und Lamarre, Kommissar.«
    »Was machen die? Es ist schon halb zehn.«
    »Vielleicht verläßt sie das Haus nicht. Seitdem ihr Bruder eingelocht ist, macht sie den Laden nicht mehr auf.«
    »Ich geh hin«, sagte Adamsberg. »Da Hurfin nicht redet, wird mir Marie-Belle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher