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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell
Autoren: Fred Vargas
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waren erforderlich, um genau ins Ziel zu treffen. Es kam für Damas nicht in Frage, alle Bewohner eines Gebäudes abzumurksen, wenn er nur einen einzigen erledigen wollte. Das wäre eine unverzeihliche Dummheit für einen Journot-Sohn gewesen.
    Das war's, was Damas getan hatte. Er hatte daran geglaubt. Er hatte seine Macht auf die angesetzt, die ihn zerstört hatten, um selbst wieder aufzuerstehen. Er hatte unter fünf Türen unschädliche Flöhe hindurchgeschoben. Clémentine hatte ›die Arbeit beendet‹ und die Insekten bei den letzten drei Folterern ausgesetzt. Da endeten die unwirksamen Verbrechen des leichtgläubigen Pestbereiters.
    Aber es gab jemanden, der im Schatten von Damas tötete. Jemand, der sich hinter seinem Mythos versteckte und an seiner Stelle tatsächlich mordete. Ein Pragmatiker, der nicht eine Sekunde an die Pest glaubte und auch keine Ahnung von der Krankheit hatte. Der dachte, daß die Haut der Pestkranken sich schwarz verfärbe. Jemand, der einen gewaltigen Schnitzer beging. Jemand, der Damas in die tiefe Grube stieß, die er sich gegraben hatte, und zwar bis zum unausweichlichen Ende. Eine einfache Operation. Während Damas zu töten glaubte, tat ein anderer es an seiner Stelle. Die Indizien gegen Damas waren erdrückend und bildeten eine lückenlose Kette, von den Rattenflöhen bis zur Holzkohle, und sie würden ihm ein ›Lebenslänglich‹ einbringen. Wer würde da noch auf ›Nicht schuldig‹ plädieren und sich dafür allein auf ein paar armselige Auslassungspunkte stützen? Das wäre, als wollte man eine Flutwelle von Beweisen mit ein bißchen Reisig eindämmen. Nicht ein einziger Geschworener würde sich mit diesen drei kleinen Punkten beschäftigen.
    Decambrais hatte das begriffen. Er war über den Widerspruch zwischen den profunden Kenntnissen des Pestbereiters und dem groben Fehler am Ende gestolpert. Er war über die Holzkohle gestolpert und kurz davor gewesen, auf die einzig mögliche Schlußfolgerung zu kommen: Es gab zwei Männer. Einen Pestbereiter und einen Mörder. Und abends im Viking hatte Decambrais zuviel geredet. Der Mörder hatte verstanden. Er hatte die Folgen seines Fehlers ermessen. Es war nur eine Frage von Stunden, bis der Gelehrte seine Überlegungen zu Ende geführt haben und sich den Bullen anvertrauen würde. Es war Gefahr im Verzuge, und der Alte mußte zum Schweigen gebracht werden. Es blieb keine Zeit mehr für Feinarbeit. Es blieben der Unfall, das Ertrinken, der gemeine Zufall.
     
    Hurfin. Ein Typ, der Damas so sehr haßte, daß er seinen Untergang herbeisehnte. Ein Typ, der sich Marie-Belle genähert hatte, um der arglosen Schwester die notwendigen Informationen zu entlocken. Ein kleines, sprödes, schwaches Gesicht, ein Mann, den man eher für gefügig gehalten hätte, der aber weder Angst noch Zögern kannte und einen alten Mann in Null Komma nichts ins Wasser schmiß. Ein Gewalttätiger, einer, der rasch mordete. Warum hatte er dann Damas nicht direkt umgebracht? Anstatt zuvor fünf andere Menschen umzubringen?
    Adamsberg ging zu seinem Fenster, lehnte die Stirn gegen die Scheibe und sah auf die dunkle Straße hinunter.
    Und wenn er sich nun bemühen würde, das Handy zu ersetzen und trotzdem seine alte Nummer zu behalten?
    Er kramte in seiner durchnäßten Jacke, zog das Telefon heraus und nahm es auseinander, um die inneren Organe des Geräts trocknen zu lassen. Man konnte nie wissen.
    Und wenn der Mörder Damas schlicht nicht töten konnte? Weil er sofort verdächtigt werden würde? So wie der Mord an einer reichen Frau stets dem armen Ehemann zugeschrieben wird? Die einzige Lösung: Hurfin war der Ehemann von Damas. Der arme Ehemann eines reichen Damas.
    Das Vermögen Heller-Deville.
    Von seinem Festnetzanschluß aus rief Adamsberg die Brigade an.
    »Was erzählt er?« fragte er.
    »Daß der Alte ihn angegriffen und er sich verteidigt habe. Er wird böse, sehr böse.«
    »Lassen Sie nicht locker. Ist da Gardon am Apparat?«
    »Oberleutnant Mordent, Kommissar.«
    »Er war's, Mordent. Er hat die vier Typen und die Frau erwürgt.«
    »Das sagt er aber nicht.«
    »Das hat er aber getan. Hat er Alibis?«
    »Er war zu Hause in Romorantin.«
    »Forschen Sie da intensiv nach, Mordent, forschen Sie in Romorantin. Suchen Sie die Verbindung zwischen Hurfin und dem Vermögen Heller-Deville. Mordent, einen Moment. Sagen Sie mir noch mal seinen Vornamen.«
    »Antoine.«
    »Der alte Heller-Deville hieß Antoine. Wecken Sie Danglard, schicken Sie ihn so
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