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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell
Autoren: Fred Vargas
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erzählen, was er von ihr verlangt hat.«
    »Gehen Sie so, Kommissar?«
    »Wie, ›so‹?«
    »Ich meine, in Sandalen? Sollen wir Ihnen nicht irgendwas leihen?«
    Adamsberg sah durch die abgenutzten Lederriemen auf seine bloßen Füße und suchte nach dem Fehler.
    »Was stimmt daran nicht, Maurel?« fragte er ganz aufrichtig.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Maurel, der überlegte, wie er da wieder herauskommen sollte. »Sie sind Brigadechef.«
    »Ach so«, bemerkte Adamsberg. »Das Erscheinungsbild, Maurel? Ist es das?«
    Maurel antwortete nicht.
    »Ich habe keine Zeit, mir Schuhe zu kaufen«, sagte Adamsberg achselzuckend. »Und Clémentine ist jetzt wichtiger als meine Kleidung, oder nicht?«
    »Doch, Kommissar.«
    »Achten Sie darauf, daß es ihr an nichts fehlt. Ich hole die Schwester und komme zurück.«
    »Glauben Sie, daß sie mit uns redet?«
    »Wahrscheinlich. Marie-Belle erzählt gern aus ihrem Leben.«
    Als er die Toreinfahrt passierte, händigte ihm ein Expreßbote ein Päckchen aus, das er unterwegs öffnete. Darin fand er sein neues Handy. Er legte alles auf den Kofferraum eines Autos und suchte nach dem diesbezüglichen Vertrag. Widerstandsfähiger Floh. Die alte Nummer hatte erhalten werden können und war in ein neues Gerät übertragen worden. Zufrieden steckte er das Handy in seine Innentasche und setzte seinen Weg fort, wobei er eine Hand auf dem Stoff seiner Jacke ließ, wie um das Handy zu wärmen und den unterbrochenen Dialog mit ihm wiederaufzunehmen.
    Er entdeckte Noèl und Lamarre, die die Rue de la Convention überwachten. Der Kleinere war Noèl. Ohren, Bürstenschnitt, Blouson gleich Noèl. Der Große mit der starren Körperhaltung war Lamarre, der ehemalige Gendarm aus Granville. Die beiden Männer warfen einen raschen Blick auf seine Füße.
    »Ja, Lamarre, ich weiß. Ich werde mir später welche kaufen. Ich geh hoch«, sagte er und deutete auf den vierten Stock. »Sie können fahren.«
    Adamsberg durchquerte die luxuriöse Eingangshalle und ging die mit einem breiten roten Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Er entdeckte den mit einem Reißnagel an Marie-Belles Tür befestigten Umschlag, noch bevor er den Treppenabsatz erreicht hatte, und erschrak. Sehr langsam erklomm er die letzten Stufen und näherte sich dem weißen Rechteck, das nichts als seinen Namen trug: Jean-Baptiste Adamsberg.
    Abgehauen. Vor den Augen seiner Wache schiebenden Männer war Marie-Belle abgehauen. Sie hatte sich verdrückt. Verdrückt, ohne sich um Damas zu kümmern. Mit gerunzelter Stirn löste Adamsberg den Umschlag von der Tür. Die Schwester von Damas hatte das sinkende Schiff verlassen.
    Die Schwester von Damas und die Schwester von Antoine.
    Schwerfällig ließ Adamsberg sich auf einer Treppenstufe nieder, den Umschlag auf den Knien. Das Treppenlicht ging aus. Antoine hatte Marie-Belle die Informationen nicht abgenötigt, sondern Marie-Belle hatte sie ihm gegeben. Hurfin, dem Mörder, Hurfin, dem Gehorsamen. Unter dem Befehl seiner Schwester, Marie-Belle Hurfin. Im dunklen Treppenhaus wählte Adamsberg Danglards Nummer.
    »Ich sitze im Auto«, sagte Danglard. »Ich habe geschlafen.«
    »Danglard, gab es ein weiteres uneheliches Kind von Heller-Deville in der Familie in Romorantin? Eine Tochter?«
    »Das habe ich doch versucht, Ihnen zu sagen. Marie-Belle Hurfin wurde zwei Jahre vor Antoine geboren. Sie ist die Halbschwester von Damas. Sie kannte ihn nicht, bis sie vor einem Jahr bei ihm in Paris aufkreuzte.«
    Adamsberg wiegte schweigend den Kopf.
    »Unangenehme Nachricht?« fragte Danglard.
    »Ja. Ich suchte das Gesicht des Mörders, und jetzt habe ich es.«
    Adamsberg beendete das Gespräch, stand auf, schaltete das Licht wieder ein, und lehnte sich an den Türflügel, um den Brief zu öffnen.
     
    Lieber Kommissar, ich schreibe Ihnen nicht, um Ihnen die Dinge zu erleichtern. Sie haben mich für eine Idiotin gehalten, und das gefällt mir nicht. Aber da ich wie eine Idiotin wirkte, kann ich Ihnen das logischerweise nicht vorwerfen. Wenn ich Ihnen schreibe, dann nur wegen Antoine. Ich möchte, daß dieser Brief bei seinem Prozeß vorgelesen wird, weil Antoine nicht verantwortlich ist. Ich war es, die ihn von Anfang bis Ende gelenkt hat, ich habe ihn aufgefordert zu töten. Ich habe ihm gesagt, warum, wen, wo, wie und wann. Antoine ist für nichts verantwortlich, er hat nichts getan, außer mir zu gehorchen, so wie er es immer gemacht hat. Es ist nicht seine Schuld, und nichts ist seine Schuld. Ich möchte,
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