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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben
Autoren: Theresa Baeuerlein
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sich eines schlechten Gewissens kaum erwehren. Man muss seine Ohren und Augen in diesen Tagen schon sehr fest verschließen, um die Fakten zu ignorieren, die überall präsentiert werden: darüber, wie die relativ junge Angewohnheit der Industrieländer, Tiere massenhaft als Fleischlieferanten zu produzieren, alles und jeden schädigt, Umwelt, Gesundheit, Klima und unsere Moral.
    Laut FAO produziert die Fleischindustrie mehr Treibhausemissionen als der Autoverkehr. ⁵ Um ein Kilo Fleisch herzustellen, sind 15 000 Liter Wasser nötig. ⁶ Pro Kilo Fleisch verfuttert ein Rind etwa 13 Kilo Getreide und andere Pflanzen. ⁷ Gleichzeitig hungern weltweit eine Milliarde Menschen.
    Das alles sind Fakten, und dagegen lässt sich nicht argumentieren. Man muss es wirklich ganz klar anerkennen: Die indust rielle Fleischproduktion ist so, wie sie jetzt ist, ein gewaltiges Problem, sie hat desaströse Umwelteffekte und ist den Tieren gegenüber in einer Weise grausam, für die es keine Rechtfertigung gibt. Alles andere zu behaupten, wäre Augenwischerei.
    Andererseits hat sich die Welt davon bisher wenig beeindrucken lassen. Jedes Jahr werden über 50 Milliarden Tiere weltweit geschlachtet, Tendenz steigend. »Wir sind und bleiben Fleischfresser – trotz aller Brutalität im Umgang mit dem lieben Vieh. Ist das menschlich oder einfach dumm?«, fragte Christian Zaschke im SZ-Magazin. Und bringt den Konflikt gleich im ersten Absatz auf den Punkt:
    »Es ist eine Sprache der Sinnlichkeit. Chateaubriand, Entrecôte double, Filet Mignon. Well done, medium, rare. Von beiden Seiten stark anbraten, damit sich die Poren schließen und eine zarte Kruste entsteht. Oder grillen, jetzt im Sommer, wie das riecht, wie das schmeckt! Und es ist eine Sprache der Brutalität. Entschnabelt, enthornt, entschwanzt. Massentierhaltung, Gammelfleisch, BSE. Vieh mit Medikamenten vollpumpen, zusammenpferchen und mästen, töten, zerstückeln, verpacken.« ⁸
    Die Deutschen gehören zu den größten Fleischessern der Welt. Der durchschnittliche Deutsche isst pro Kopf und Jahr etwa neun Kilogramm Rind, elf Kilogramm Geflügel und 39 Kilogramm Schweinefleisch. ⁹ Und das Schlachten nimmt kein Ende. 2009 ist die landesweite Fleischproduktion auf einen neuen Rekordlevel gestiegen: Knapp vier Millionen Rinder wurden geschlachtet und etwa 56 Millionen Schweine. ¹⁰ Die meisten dieser Rinder und Schweine standen ihr Leben lang dicht an dicht in stinkenden Ställen, ohne eine Chance, artgerecht zu leben, zu fressen oder sich fortzupflanzen, mit Antibiotika und Kraftfutter auf Hochleistung gemästet. Es werden Hühner gezüchtet, die zwar schnell viel saftiges Fleisch produzieren, aber kaum laufen können, und die nach nichts mehr schmecken.
    Weil die Deutschen nicht nur sehr viel, sondern auch sehr billiges Fleisch wollen, macht nur die Massentierhaltung das Geschäft rentabel. Daher rüsten die Schlachthöfe auf. Ein Betreiber in Ulm wirbt für die »modernste Schweineschlachtlinie in Süddeutschland«. ¹¹ Bis zu 25 000 Schweine soll die Anlage in der Woche zerteilen. Alle zehn Sekunden wird ein Tier dort mit Kohlendioxid betäubt, angestochen, damit es ausblutet, und zersägt. In Wietze bei Hannover protestieren Tierschützer derzeit gegen den Bau eines Geflügelschlachthofs. Die geplante Schlachtfrequenz: mehr als 2,5 Millionen Hühner pro Woche. ¹² 60 Millionen Menschen essen täglich bei McDonald’s. ¹³ Für sie werden jeden Tag mehr als 100 000 Kilogramm Rindfleisch zu Burgern verarbeitet. ¹⁴
    Verdammt, was tun wir da? Allein der Appetit auf Schwein ist bei uns so gewaltig, dass pro Woche eine Million Schweine für Würste und Geschnetzeltes ihr Leben lassen. Weil die deutschen Schweinezüchter den Bedarf nicht stillen können, hat Deutschland sich zum weltweit größten Ferkelimporteur entwickelt. »Wir züchten und mästen und schlachten und stopfen wie nie zuvor«, schrieb der Stern angesichts dieser Fleischberge. ¹⁵ Wenn die Entwicklungsländer nachziehen, wird sich die globale Fleischproduktion auf 465 Millionen Tonnen verdoppeln. ¹⁶ Was tun? Es ist nicht realistisch, zu erwarten, dass die ganze Welt lernt, sich vegetarisch zu ernähren, dass die aufsteigenden Länder in kurzer Zeit einen Bewusstseinsprozess durchmachen werden, für den die Industrieländer jahrzehntelang Zeit hatten, ohne bisher wirklich harte Konsequenzen zu ziehen.
    Ob hinter der globalen Gier nach Fleisch nur eine Geschmackspräferenz steckt oder ein
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