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Fledermaeuse und andere Leute

Fledermaeuse und andere Leute

Titel: Fledermaeuse und andere Leute
Autoren: Inge Helm
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Was, schon soo alt …
    D ie Wandlung vollzog sich langsam. Ich bekam zunehmend das Gefühl, dass meine älteste Tochter so nach und nach nicht nur für sich, sondern auch für mich die Verantwortung übernahm. Hatte sie mich ein paar Tage lang nicht gesehen und nichts von mir gehört, rief sie besorgt an und gab Sätze von sich, wie ich sie früher ständig meinen Kindern hinterhergetragen habe: »Fehlt dir was? Du hörst dich so blass an! Natürlich fehlt dir was. Ich weiß besser, wann es dir schlecht geht. Ich mache gleich einen Termin beim Arzt und komme dich um zehn Uhr abholen. Sei also bitte pünktlich … Siehst du, hab ich es nicht gleich gesagt? Der helle Mantel macht dich um Jahre jünger. Warum willst du älter aussehen, als du bist?« Und legte mir fürsorglich einen Schal um den Hals, »Eine Erkältung wäre genau das, was du im Moment überhaupt nicht gebrauchen kannst … Geh lieber vorsichtshalber nochmal zur Toilette. Du weißt doch, wie lange es immer beim Arzt dauert. Und wenn du danach nicht zu erschöpft bist, machen wir anschließend noch einen Bummel durch die Stadt. Aber wenn es dir zu viel wird, sags bitte gleich. Dann fahre ich dich sofort nach Hause, und du legst dich hin. Wann bist du denn gestern zu Bett gegangen? Du hast bestimmt wieder viel zu lange ferngesehen.« In diesen Momenten schwoll mir der Hals, und der Kragen war immerkurz davor, zu platzen. Darauf meine Tochter beruhigend: »Jaja, Mami, ich meine es doch nur gut mit dir!« (Hörte ich da nicht ein Echo?!) Aber irgendwann war es so weit: Es reichte mir, und ich schnaubte: »Hältst du mich vielleicht für senil? Ich kann meine Entscheidungen noch sehr gut alleine treffen, junge Dame. Ich weiß, wann es mir schlecht geht, und ich suche den Arzt auf, wann immer ich es für nötig halte. Im Übrigen gucke ich fern, so lange ich möchte, und schlafe so kurz, wie es mir passt!!!«
    Ich war noch lange nicht bereit, den mir angestammten Platz zu räumen. Ich suchte lieber stundenlang meine Brille, den Autoschlüssel oder die Handtasche, bevor ich meinen Nachwuchs fragte.
    Der absolute Gipfel aber war erreicht, als meine Tochter beim Autofahren plötzlich bremsen musste und instinktiv den Arm schützend vor mich hielt, damit ich nicht durch die Windschutzscheibe schoss. Da riss mir der Geduldsfaden, und ich stieg demonstrativ an der nächsten roten Ampel aus, nahm mir ein Taxi und fuhr heim. Mein Gott, war ich denn wirklich schon soo alt?!
    Doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, wurde mir der erste Enkel geschenkt. Und plötzlich durfte ich wieder mit meinem eigenen Sportwagen durch die Gegend flitzen und hatte immer häufiger das Vergnügen, Mäxchen beaufsichtigen zu können.

Kindersprache
    W enn ich auch nur geahnt hätte, dass ich gerade mal bis zum dritten Lebensjahr meines Enkels eine untadelige Großmutter sein würde, hätte ich mit Sicherheit versucht, meiner Tochter vom Kinderkriegen abzuraten.
    Es fing eigentlich ganz harmlos an. Für Mäxchen war ich der Inbegriff der Vollkommenheit, und was ich sagte, war für ihn wie das Amen in der Kirche.
    Und nun das! »Warum sprichst du denn mit mir in der Kindersprache?«, fragt er eines Morgens, als ich ihn anziehe.
    »Na, hör mal«, sage ich entrüstet, »ich habe noch nie mit dir in der Kindersprache gesprochen.«
    »Doch«, gibt er energisch zurück, »du hast eben gesagt: Und nu’ noch deine Pantöffelchen.«
    Heiliger Strohsack! Was soll ich jetzt machen?
    Ich erzähle ihm von meiner masurischen Großmutter, die überall ein ›chen‹ hinten angehängt hat. »Deinen Onkel Christoph nannte sie zum Beispiel immer: ›Mein Jungchen.‹«
    Mäxchen sieht mich ungläubig an.
    Ach, hätte ich ihn bloß gründlicher vorbereitet! Ich habe ihm vom Weihnachtsmann, vom Osterhasen und von der Schokoladenfee erzählt, aber nichts über seine ostpreußischen Ahnen. Alles hat er mir unbesehen abgenommen, nur die masurische Großmutternicht, die ist für meinen Enkel ein Märchen, das man kleinen Kindern erzählt. Und soo klein ist er ja nun auch nicht mehr! Er für seinen Teil hält ostpreußisch bloß für kindisch.
    Ich schaue Mäxchen an. Ich sehe zwei kurze Beinchen, zwei kleine Kinderhände, die sich mit klemmenden Reißverschlüssen, falsch geknöpften Jacken und widerspenstigen Schuhbändern abmühen. Zugegeben, er arbeitet fleißig daran, aber ist das alles Grund genug, überall das ›chen‹ wegzulassen, auch am Mäxchen? Ich beklage mich bei seiner Mutter.
    »Was
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