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Flatline

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Titel: Flatline
Autoren: Erwin Kohl
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verlegt.«
    Joshua ging um Daniel herum, der ein Foto in der Hand hielt. In den Augen seines Kollegen erkannte Joshua Zweifel.
    »Sieht so ein Junkie aus?«
    Joshua betrachtete das Bild genauer. Der junge Mann war dezent gekleidet. Seine Brille sah nicht gerade nach einem preiswerten Kaufhausmodell aus. Die dunklen Punkte auf seinem rechten Unterarm wirkten auffällig. Joshua erinnerte sich an die Zeit nach der Ausbildung. Für sechs Monate musste er zur Drogenfahndung. Es war die schlimmste Zeit in seinem Leben gewesen. Damals hatte er häufig Drogentote zu Gesicht bekommen. Sie waren ausgemergelt, heruntergekommen. Die Qualen der letzten Wochen, Monate und oft Jahre hatten sie wie eine Maske auf ihrem Gesicht getragen. In ihrem Erscheinungsbild unterschieden sie sich meist nur geringfügig von Obdachlosen. Er erinnerte sich an die Ausbildung. Einer seiner Lehrer reichte im Unterricht ein Werbeplakat der Firma Bayer aus dem Jahr 1900 herum. Darauf wurde für das Medikament »Heroin« geworben. Die Droge galt damals als probates Hustenmittel.
    »Lasst euch nicht täuschen«, meldete Karin sich zu Wort. Die Kommissarin wirkte in ihrem dicken schwarzen Wollpullover und der Jeans fast ein bisschen burschikos, »der Befund der Gerichtsmedizin spricht eine deutliche Sprache. Klarer Fall von Überdosis. Sein Körper ist bis unter die Fingernägel voll Dope.«
    Mit dem Zeigefinger der rechten Hand trommelte sie dabei auf einem Schnellhefter herum. Joshua sah die Kollegin mit gerunzelter Stirn an.
    »Kam heute Morgen herein. Die Frau Doktor kommt aber gleich.«
    Joshua ließ sich grübelnd hinter seinem Schreibtisch nieder. Was konnte die Kollegen von der Kripo veranlasst haben, das LKA mit einzubeziehen?
    »Haben wir die Identität?«
    »Ja«, Daniel blickte ihn an, »Markus Stachinsky, Student. Wohnhaft in der ›WG Café‹, Aderstraße.«
    »Habe ich doch schon mal gehört …«
    »Deutschlands größte WG. Ein pfiffiger Unternehmer hat die Gebäude von Auto Becker für kleines Geld gemietet und diese WG gegründet«, Daniel van Bloom durchforstete bei jedem neuen Fall zunächst das Internet. Zu Hause war der Börsenfreak rund um die Uhr im Netz. Er verfügte mittlerweile über ein millionenschweres Portfolio. Obwohl ein Makler während seiner Abwesenheit alles für ihn regelte, konnte er  es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, Kursschwankungen zu versäumen.
    »In dieser WG leben übrigens nicht nur Studenten, sondern auch Ärzte, Rechtsanwälte und Hartz IV-Empfänger.«
    Joshua wollte noch nachhaken, als es an der Tür klopfte.
    »Judith Vanderheyden, schönen guten Morgen.«
    Wie ein fröhlicher Vorbote des Frühlings stand die Ärztin vor ihnen. Sie trug einen Pullover mit der Farbenvielfalt eines Regenbogens, der ihren schlanken Körper betonte. Die hellblonden Haare zu einem Zopf gebunden, strahlte sie ihre Zuhörer aus einem Meer von Sommersprossen an. Karin blickte ihr bewundernd in die Augen. Es war der Ermittlerin schier unerklärlich, woher diese Frau nach der Obduktion eines Drogentoten ihre anscheinend unbekümmerte Heiterkeit nahm. Mit einer Armbewegung bot sie ihr den Besucherstuhl an. Die Medizinerin bedankte sich kurz. Ihr Gesichtsausdruck wurde von einem Augenblick zum nächsten ernst.
    »Entschuldigen Sie meine Verspätung. Ich wollte mich vorher noch mit dem Kollegen Strietzel absprechen. Er kann leider nicht persönlich kommen, ein Gerichtstermin.«
    »Macht doch nichts.«
    Die Antwort von Daniel kam überhastet. Eine leichte Röte breitete sich auf seinen Wangen aus. Judith Vander-heyden deutete ein Grinsen an und fuhr fort.
    »Also … Todesursache war, wie sie meinem Bericht bereits entnehmen konnten, eine Atem- und Kreislaufdepression. Diese war Folge einer Vergiftung, die wiederum einen allergischen Schock auslöste. Um es vereinfacht auszudrücken: Der junge Mann ist mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer Überdosierung gestorben. Art und Zusammensetzung der Droge können wir nicht mehr feststellen.«
    Judith Vanderheyden machte eine kurze Pause und gab ihren Zuhörern Gelegenheit für Zwischenfragen.
    »Ich tippe mal auf Heroin«, reagierte Joshua sofort.
    »Möglich. Chemische Prozesse wandeln Heroin aber direkt nach Einnahme in Morphin um. Eigentlich über einen Zwischenschritt, aber das würde jetzt zu weit führen. Jedenfalls lässt sich Heroin nicht im Körper nachweisen.«
    Joshua konnte sich nicht vorstellen, warum der goldene Schuss eines Junkies sie vor
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