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Titel: Flatline
Autoren: Erwin Kohl
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immer dunkler, Stachinsky begann zu frieren. Das Geräusch der anlegenden Fähre am anderen Ende des Kais unterbrach den Albtraum. Er ballte die Fäuste, als wolle er der Verzweiflung, die sich zunehmend ausbreitete, drohen. Es konnte so viele gute Gründe für Markus` Verschwinden geben, redete er sich ein. Von Hoffnung getragen  bestieg er die Fähre nach Montevideo.  
     
     

2
    Karl-Heinz Schmitz fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Der Krefelder Kommissar ließ sich nur äußerst ungern aus seinem Dezernat Wirtschaft locken. Aber einerseits konnte er seinem Behördenleiter kaum einen Wunsch abschlagen, andererseits war das Versprechen, anschließend Überstunden abzufeiern, verlockend. Drei Wochen Drogenfahndung für den beurlaubten Kollegen Winter, zweieinhalb waren bereits um. Zu Hause auf der Garagenauffahrt lagen seit gestern etliche Tonnen Sand und Grus. Daneben standen vier Paletten Pflastersteine. Die letzten drei Tage, so Kalles Vermutung, würde nichts mehr anbrennen. Kommende Woche würde er den unplanmäßigen Urlaub nutzen und endlich die alte Holzterrasse ersetzen.
    Der Blick durch den Nieselregen in den Hinterhof der Dionysiusstraße förderte erste Zweifel zutage. Zwischen Schneematsch, der so schmutzig war wie die Pfützen, die er füllte, lag ein junger Mann in Jeanshose und kariertem Flanellhemd. Der aufgekrempelte rechte Ärmel und die Spritze neben seinem Bein sprachen für sich. Was die uniformierten Kollegen veranlasst hatte, die Kripo hierher zu bestellen, war zum einen der für einen Drogentoten ungewöhnliche Fundort und zum anderen die Tatsache, dass dieser keinerlei Papiere oder Bargeld bei sich trug. Kalle wollte gerade damit beginnen, diese Hindernisse gedanklich beiseitezuschieben, um den jungen Mann mit wenig Aufwand in die Statistik der Drogentoten zu verlagern, als er den zweifelnden Blick seines Kollegen wahrnahm. Friedhelm Bungert lief leicht mit dem Kopf schüttelnd um den Toten herum. Die wenigen grauen Haare hatte er hinten zu einem dünnen Zopf gebunden. Er kratzte dabei nachdenklich seinen kleinen Kinnbart.
    »Den kenn ich nicht«, murmelte Bungert. Er beugte sich herunter und drehte mehrmals den entblößten Arm des Opfers.
    »Kannst ja auch nicht jeden kennen«, gab Kalle lapidar zurück. Bungert blickte seinen Kollegen über die Schulter an und hob seine Augenbrauen.
    »Ich bin über dreißig Jahre bei der Droge. Glaub mir, ich kenne sie alle.«
    Kalle atmete tief durch. Über ihnen befand sich mittlerweile eine ganze Familie auf dem schmalen Balkon und war damit beschäftigt, es zufällig aussehen zu lassen.
    »Der ganze Arm voller Einstiche, ein Neukunde ist das nicht gerade«, fuhr Bungert leise fort.
    »Vielleicht ist er nicht von hier?«, Kalle zuckte hilflos mit den Schultern. Bungerts Kopfschütteln widerlegte seine Vermutung.
    »Ein Junkie entfernt sich nicht sehr weit von seinem Dealer. Nee …«, Bungert zögerte und richtete sich wieder auf, »irgendwas ist hier faul.«
    Kalle verdrehte die Augen. Bungert quittierte diese Geste mit einer abfälligen Handbewegung.
    »Wer hat ihn eigentlich gefunden?«
    »Ein Vertreter. Steht da hinten bei den Kollegen.«
    Kalle musterte den Mann verwundert. Er trug einen dunklen Nadelstreifenanzug unter schwarzem Lodenmantel. Die schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt, glänzten. Kalles Augen richteten sich auf die Sonnenbrille. Die Kollegen der Einsatzbereitschaft stellten ihn vor.
    »Das ist Herr Krieger, er hat uns verständigt.«
    Kalles Blick haftete immer noch auf der Sonnenbrille des Zeugen.
    »Ich habe empfindliche Augen.«
    Kalle nickte. Krieger zog eine Visitenkarte aus dem Jackett und reichte sie Kalle.
      »B&M Insurance, bei uns sind Sie sicher. Übrigens«, er trat dicht vor Kalle, senkte seine Stimme, »unser jüngstes Angebot dürfte was für Sie sein. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Beamte, da reicht«, er wurde noch leiser, fast verschwörerisch, »ein kleiner Bandscheibenvorfall und schon kassieren Sie neben Ihrer Pension noch eine stattliche Zusatzrente.«
    Kalle kam der Gedanke an die zunehmenden Rückenschmerzen, an die Krankengymnastik, vom Arzt verordnet und durch immer neue Ausreden verschoben. Der Berg mit den Pflastersteinen, die nach hinten geschleppt werden mussten, erschien vor seinem geistigen Auge. Er schob die Visitenkarte in die Gesäßtasche seiner Jeans.
    »Wann haben Sie den Toten gefunden?«
    »Gar nicht.«
    Krieger klang leicht empört.
    »Na schön,
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