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Flammender Diamant

Titel: Flammender Diamant
Autoren: Ann Maxwell
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Wildnis verbrachte. Und er verstand auch die Ruhelosigkeit nicht, mit der es sie zu Orten zog, an die andere Menschen kaum je kamen. Er liebte ihre fotografische Technik und ihren künstlerischen Blick, aber versuchte ständig, sie zu zivilisiertem Themen der Fotografie zu überreden, alte griechische Statuen und moderne Ferienorte am Mittelmeer.
    Zuerst hatte Erin versucht, Fisher verständlich zu machen, weshalb sie seine europäischen Projekte ablehnte. Sie hatte versucht, ihm zu erklären, daß die Zivilisation zwar einerseits die Abgründe körperlicher Entbehrungen beseitigte, dabei aber auch die psychischen Höhenflüge des Überlebens einebnete. Fisher hatte das nicht verstanden. Ihre bevorzugte Welt der arktischen Wildnis und der fernen Kulturen war ihm einfach zu weit entfernt von Manhattan und auf keine Weise faßbar.
    Unglücklicherweise waren Erin sämtliche denkbaren Entschuldigungen ausgegangen, warum sie seinen europäischen Projekten, den Bauernhäusern, den Weinkellern und dem Sterlingsilber bei Kerzenlicht noch länger ausweichen sollte.
    Sie hatte ihren Terminplan gründlich durchgesehen, damit niemand in der Luft hing, wenn sie für mehrere Monate oder gar ein Jahr fortging. Sie hatte alles geregelt, es war ihr nur noch nicht gelungen, so etwas wie Begeisterung für Fotos aus Europa zu entwickeln. Jede beliebige andere Gegend wäre ihr willkommener gewesen.
    Sie hatte schon oft den Kontinent besucht und war jedesmal eher bedrückt als beeindruckt zurückgekommen. Teilweise kam das daher, daß ihr ehemaliger Verlobter Europäer gewesen war oder es wenigstens behauptet hatte.
    WICHTIGE FAMILIENSACHE STOP Teilweise kam es auch daher, daß Europa für sie mit der Arbeit ihres Vaters zusammenhing, mit Diplomatie, Geheimnissen und Betrug. Jener Art von Arbeit, die diejenigen, die sie überlebten, für den Rest ihres Lebens zeichnete.
    GENAUERE ANWEISUNGEN FOLGEN STOP Anweisungen, aber keine Wahrheit. Der Mensch hatte die Zivilisation hervorgebracht, um der Wahrheit der Natur auszuweichen, und hatte die Zeitmessung erfunden, um menschliche Lügen besser verpacken zu können.
    WICHTIGE FAMILIENSACHE
    Bewegungslos stand Erin in der strahlenden Stille der Natur, die eine überwältigende Mißachtung gegenüber menschlichen Ideen wie Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu haben schien.
    KOMMEN SIE SOFORT ZURÜCK Das Leben war nicht gerecht oder ungerecht, es war einfach nur unberechenbar. Manchmal waren die Überraschungen des Lebens von atemberaubender Schönheit, wie die Arktis. Manchmal von atemberaubender Grausamkeit wie Hans. Aber die Bausteine des Lebens waren immer die Überraschungen. Erin hatte sich entschieden zu leben.
    Sie brachte zum letzten Mal das Piepsen ihrer Armbanduhr zum Schweigen und begann, ihre Ausrüstung für die lange Reise nach Los Angeles einzupacken.

3 . Kapitel
    »Wie lange sind die beiden Chinesen jetzt schon tot?«
    Die Stimme, die selbst durch die Satellitenverbindung und den Verzerrer ihren Ton von Herablassung behielt, war Jason Street zuwider. Hugo van Luik war ein breit gebauter Holländer mit einem runden Kopf voll weißer Haare. Seine Stimme klang für australische Ohren zischend und unangenehm. Street nahm einen tiefen Schluck Bier und stellte die große, kalte Dose auf seinen Schreibtisch. Dann antwortete er: »Zwölf Stunden, vielleicht etwas länger.«
    »Warum hat sich Ihr Bericht verzögert?«
    »Wollen Sie, daß ich unsere Angelegenheiten über ein öffentliches Telefon herausposaune?« gab Street zurück. »Denken Sie dran, hier ist Australien, verdammt. Jeder, der einen Empfänger hat, kann bei Funktelefongesprächen mithören. Ich habe die beiden Schläger begraben und Abes Haus auseinandergenommen. Von dort rufe ich an.«
    Zwanzigtausend Kilometer entfernt, im fünften Stock eines grauen Gebäudes an der Pelikanstraat, der Hauptstraße des Diamantenhandels in Antwerpen, schloß Hugo van Luik die Augen, weil ihn rasende Kopfschmerzen überfielen. Im Augenblick war er allein in seinem Büro, also erlaubte er sich den Luxus, sich gehenzulassen. Übelkeit drehte ihm den Magen um und ließ urplötzlich wieder nach. Er holte dankbar tief Atem. Van Luik war ein mächtiger Mann, sowohl was seine Statur als auch seine berufliche Position betraf, aber er mußte den Preis der Macht bezahlen. In letzter Zeit schien der immer weiter zu steigen.
    »Nun gut«, sagte van Luik. »Dann will ich zusammenfassen: Das handschriftliche Testament,
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