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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm
Autoren: Mirinda Jarrett
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wirkte er irgendwie harmloser, ungefährlicher. Seufzend und erschöpft ließ sich Demaris in Ebens Sessel sinken und legte die Hände im Schoß über der blutfleckigen Schürze zusammen.
    „Ich schicke Euch Ruth zur Hilfe her, Mistress“, sagte Caleb leise, als er und die anderen aufbrachen. „Ihr habt schon mehr als genug für diesen Burschen hier getan.“
    Demaris schüttelte den Kopf. „Nein, Caleb. Trotzdem danke ich dir für deine Freundlichkeit. Für den Mann kann man jetzt nichts weiter tun, außer abzuwarten, und das schaffe ich auch allein. “
    „Ihr seid wirklich zu gütig, Mistress Allyn“, erklärte Caleb voller Bewunderung, und dann schloss sich die Tür hinter ihm. Demaris stützte das Kinn in eine Hand und zeichnete mit den Fingern der anderen die Armlehne des Sessels nach, die Ebens Ellbogen blankgerieben hatte.
    Sechs Monate waren seit seinem Tod verflossen. Ob das dumpfe Gefühl der Einsamkeit jemals vergehen würde?
    Ebenezer Allyn war der Schiffsmaat ihres Vaters gewesen, und aus ihrer Kindheit erinnerte sie sich noch gut an sein rundes, fröhliches Gesicht. Zu der Zeit, als sie ihr Heim verlor, weil ihre inzwischen verwitwete Mutter einer langwierigen Krankheit erlegen war, hatte er eine junge Ehefrau gebraucht, die ihm dabei half, Nantasket, seinen Landbesitz, zu bewirtschaften.
    Demaris hatte gewusst, dass Eben seine Gattin stets freundlich und gerecht behandeln würde, auch wenn diese eine etwas zu große, mittellose Quäkerjungfer war. Er schätzte nämlich ihre Kraft, ihre Tüchtigkeit und ihre Fähigkeiten als Köchin. Als sie die Heirat beschlossen, war ihnen bewusst gewesen, dass diese Ehe auf Freundschaft und gegenseitigem Respekt gegründet war, und nicht auf Liebe. Dennoch hatte Demaris in den nächsten fünf Jahren eine echte Zuneigung zu ihrem Gatten entwickelt.
    Der Sturm hatte sich jetzt vollends gelegt, und das erste schwache Tageslicht stahl sich schon durch die dicken Fensterscheiben. Vom Strand her waren Möwenschreie und das Rauschen der Brecher zu hören.
    Demaris betrachtete den Bewusstlosen. Sein dunkles Haar hob sich gegen den weißen Kopfverband ab, und seine dichten Wimpern wirkten auf seinen bleichen Wangen so schwarz wie Ruß. Sie wusste, dass es eines Wunders bedurfte, wenn er überleben sollte! Zu lange war er im eisigen Wasser getrieben, und sein Blutverlust war zu hoch. Die Pistolenkugel hatte sie zwar aus der Wunde entfernt, doch sicherlich waren genug Stoff- und Schmutzfasern zurückgeblieben, um eine Entzündung mit nachfolgendem Fieber hervorzurufen, und dergleichen konnte den stärksten Mann umbringen.
    Unvermittelt schlug der Fremde die Augen auf. Er schaute Demaris an, ohne sie wirklich zu sehen, und auf seinen Lippen erschien ein völlig unerwartetes Lächeln.
    „Ah, da bist du ja!“, sagte er mit schwerer Zunge. „Mein hübsches Mäuslein So übergangslos, wie sich sein Gesicht erhellt hatte, so schnell erlosch das Licht auch wieder, und die Augen des Mannes schlossen sich.
    Einen schrecklichen Moment lang dachte Demaris, er sei gestorben, doch sie konnte den schwachen Puls noch fühlen, und die fast nicht festzustellenden Atemzüge setzten sich fort. Er hat mich für jemand anderen gehalten, und das ist das erste Anzeichen für das beginnende Delirium, sagte sie sich streng. Dass ihre Wangen so heiß geworden waren, und dass ihr Herz einen kleinen Purzelbaum geschlagen hatte, lag selbstverständlich nur an der Verblüffung über seinen Ausruf.
    Und daran, dass seine Augen von einem so grünen Grün waren, wie sie es noch nie gesehen hatte.
    Außerdem hatte noch niemand - schon gar nicht Eben - sie jemals sein „hübsches Mäuslein“ genannt.

2. Kapitel
    "Jonathan Sparhawk. “
    Das war eine Feststellung und keine Frage. Die Stimme der Frau klang weich, leise und so faszinierend, dass Jonathan sich anstrengte, die Augen aufzubekommen. Als es ihm gelungen war, wünschte er, er hätte es nicht getan. Alles drehte sich plötzlich wie wild um ihn, und obwohl er sich mit beiden Händen an der Bettdecke festhielt, vermochte er das Wirbeln nicht aufzuhalten. Heftig atmend drückte er die Lider wieder zu, und nach und nach ebbte die Bewegung ab.
    „Jonathan Sparhawk. “ Diesmal ließ er sich von der sanften Stimme nicht dazu verlocken, nachzuschauen, wer da eigentlich sprach. „Das ist doch Euer Name, nicht wahr? Er ist mit rotem Garn in Euer Taschentuch eingestickt.“
    So mochte er heißen oder auch nicht. Im Augenblick wusste er es nicht, und
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