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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf
Autoren: Ernest Claes
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drängten sich um den kleinen Tisch, und wenn einer gewann, waren sofort zehn andere bereit, zu verlieren.
    »Gust ,« sagte Flachskopf, »hole mal mein Bier dort... das zweite Glas links...«
    Gust sah erstaunt erst auf Flachskopf, der sich so ernst in das Spiel vertiefte, als wolle er ein kleines Vermögen dranwagen, und dann auf die Fensterbank. Es wollte ihm anscheinend nicht in den Kopf, daß Flachskopf dort ein Glas Bier stehen haben könnte.
    »Wenn ich einmal mittrinken darf«, antwortete er mit einem schlauen Lächeln.
    »Selbstverständlich ,« willigte Flachskopf großzügig ein, »wenns weiter nichts ist.«
    Gust ging sofort hin, und während die Kegler ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Bahn gerichtet hatten, nahm er ein volles Glas weg und kam damit zurück. Er trank das Glas erst halb leer, weil er Flachskopf nicht traute, und gab diesem dann den Rest.
    »Aber du mußt es wieder hinbringen«, fügte Gust als nachträgliche Bedingung hinzu.
    Da Flachskopf nun deutlich merkte, daß Gust die Sache durchschaut hatte, fing er laut zu lachen an und stellte das leere Glas auf eine andere Fensterbank. Zu zweit wollten sie nun das Treiben fortsetzen, und sie waren nach ihrem ersten Gelingen schon etwas dreister geworden. Sie stellten sich frischweg hinter den Keglern auf, und jedesmal, wenn das Spiel die ganze Aufmerksamkeit fesselte, ergriffen sie ein Glas und tranken es schnell leer. Aber es dauerte nicht lange, bis einer der Spieler es bemerkt hatte. Gust wurde plötzlich sehr unsanft beim Kragen gefaßt und bekam von Heinrich Hutt eine Tracht Prügel, daß ihm die Ohren wackelten. Flachskopf war noch beizeiten in der Menge verschwunden. Sein Kopf war etwas warm geworden, und er stellte sich auf die andere Seite der Straße, um den Bänkelsängern zuzuhören.
    Auf einem Stuhl stand der Mann mit der Harmonika, auf einem anderen Stuhl der Sänger mit einem Bündel Liedertexte in der einen und einem Rohrstock in der anderen Hand. Zwischen beiden, an einem Querholz, hing eine große viereckige Leinwand mit Bildern in bunten Farben. Zwischen den Zuhörern stand eine junge Frau mit Liedertexten; sie und der Mann mit dem Stock sangen, der Harmonikaspieler begleitete. Das Kleeblatt machte den Eindruck verwahrloster Landstreicher, die nur mühsam ihr kärgliches Brot verdienten. Der Musiker hatte Geschwüre im Gesicht, die Frau trug einen dicken schwarzen Haarknoten, der von einem Kamm hochgehalten wurde, und hatte gemeine, freche Augen; der dritte, anscheinend der Leiter, trug ein rotes Taschentuch um den Hals gewickelt, weil er kein Hemd anhatte.
    Gerade als Flachskopf hinzukam, sangen sie ein lustiges Soldatenlied. Es wurden viele Lieder gekauft, und einzelne Bauern sangen bereits leise die letzten Verse mit. Nach jedem Refrain entstand eine kurze Pause, die der Mann mit dem roten Taschentuch dazu benutzte, um mit dem Stocke klatschend an die Leinwand zu schlagen und den Leuten, die weiter entfernt waren, etwas zuzurufen, um sie näher heranzulocken. Inzwischen gab der Musiker einige zarte Fugen und Triller zum besten, die vor allem die ungeteilte Bewunderung der Kinder erregten. Die Frau verkaufte Liedertexte, drückte sie den Leuten einfach in die Hände, ohne zu fragen, und dann bezahlten diese ihre fünf Cent, aus Angst, irgendwelche Grobheiten anhören zu müssen. Bei jeder Pause übertönte die lärmende Drehorgel des Karussells das allgemeine Rumoren.
    Jetzt folgte ein Liebeslied, das dem jungen Volk gefiel. Einige ältere Bäuerinnen mit kleinen Kindern nahmen Anstoß daran und verließen den Kreis. Als dieses zu Ende war, schob der Harmonikaspieler sein Instrument vollkommen zusammen, und der andere schlug ein paarmal kräftig an die bunte Leinwand. Mit heiserer Stimme schrie er in einem Atemzug und ohne Pause: »Ihr Leute nun werden wir zum dritten Mal das Lied singen von dem edlen Kind Napoleons das schönste Lied das jemals in unserem Lande gesungen wurde in zehn Strophen ihr habt gewiß alle schon von Napoleon gehört der große Kaiser der die ganze Welt besiegt hatte und dann zu guter Letzt in Waterloo bei Brüssel von den Engländern geschlagen wurde dann hat der Engländer den großen Kaiser auf der Insel Sankt Helena in einem dunklen Keller eingeschlossen und ihn dort umkommen lassen vor Hunger und Gram denn der Engländer hat einen schlechten Charakter... Aber das arme Kerlchen das Kind des großen Kaisers wußte nicht was mit seinem Vater geschehen war und es konnte schließlich seinen Schmerz
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