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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf
Autoren: Ernest Claes
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Ermahnung, sich gut festzuhalten, und während sie im Kreise herumfuhren, strahlten ihre kleinen Gesichter vor Glück. Die großen Knaben sprangen wild und ausgelassen über und zwischen die Pferdchen, setzten sich rückwärts oder kreuzten die Beine über dem Pferdekopf und machten jede Dummheit, um die Bewunderung und die Aufmerksamkeit der großen Leute auf sich zu lenken. Sie halfen Jan Petrol das Karussell in Bewegung setzen, um einmal umsonst mitfahren zu dürfen, und kämpften wie die Teufel um den »Ring«. Neben dem Karussell stand nämlich ein Pfosten, an dem ein Ring befestigt war; wem es gelang, den Ring zu greifen, der durfte einmal umsonst fahren. Ein langer Lümmel, mit einem schmutzigen, bärtigen Gesicht und gefährlichen Triefaugen, stand neben dem Pfosten und ließ den Ring auf und ab springen, um das Haschen zu erschweren. Der Kerl bekam denn auch von den Knaben alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf geworfen, aber das störte ihn nicht. Er machte seine Arbeit, als hinge seine Seligkeit davon ab. Flachskopf mußte natürlich auch einmal Karussell fahren. Bei der ersten Runde griff er nach dem Ring und griff daneben, bei der zweiten Runde gab er sich mehr Mühe, aber da zog der Mann gerade den Pfosten zurück, und Flachskopf wäre beinahe auf die Nase geflogen. Bei der dritten Runde war der Ring schon weg. Flachskopf schnauzte den Mann im Vorbeifliegen an: »Blöder Affe !« und wiederholte diese Anrede jedesmal, wenn er an ihm vorüberfuhr, um seinen Ärger zum Ausdruck zu bringen. Der Mann bewahrte aber eine philosophische Ruhe, als hätte er in seinem Leben schon ganz andere Dinge erlebt. Bei einem zweiten Versuch hatte Flachskopf ebensowenig Glück. Er schob alle Schuld auf den Mann am Pfosten und war so wütend auf ihn, daß er sich in dessen unmittelbarer Nähe aufstellte, um sich in irgendeiner Weise an ihm zu rächen. Der Mann bückte sich plötzlich zu ihm herab und sagte leise: »Hole mal mein Bier dort... dann darfst du mal umsonst fahren«, und er zeigte mit dem Finger nach einer Reihe von halbleeren und vollen Biergläsern auf der Fensterbank der Kneipe.
    »Wo steht Ihr Glas ?« fragte Flachskopf, sofort bereit, es dafür zu tun.
    »Das zweite Glas rechts!«

    Flachskopf holte das volle Glas, der Mann trank es aus, goß die Neige auf die Erde und reichte es Flachskopf zurück. Dieser durfte dann einmal fahren, ohne zu bezahlen. Als er nachher dem Karussellbetrieb zuguckte und mit der rechten Hand in seiner Hosentasche die fünf Cent nachzählte, die ihm noch übrigblieben, bemerkte er plötzlich, daß der Mann am Pfosten auch Heini Freeke etwas sagte, und dann sah er Heini ebenfalls auf die Fensterbank zugehen, dort ein noch ziemlich volles Glas wegnehmen und es dem Mann bringen. Flachskopf fragte sich verwundert, ob vielleicht alle Biergläser auf der Fensterbank diesem Mann gehörten. Er gab nun Obacht, und als eine Weile später Kalle Potter ebenfalls ein Glas holte, sah er, wie Diktes Vernelen plötzlich auf Kalle zusprang, ihm das Glas wegnahm und ihm eine tüchtige Ohrfeige verabreichte. Kalle starrte ihn sprachlos an.
    »Verdammt! Das ist mein Glas !« schrie Diktes.
    »Und der Mann dort sagt, daß es sein Glas ist«, antwortete Kalle etwas kleinlaut, noch halb im Glauben, daß er vielleicht ein verkehrtes Glas erwischt habe. Aber »der Mann dort« tat so, als wüßte er von nichts, und schien von seinem Ring und den vorbeifliegenden Pferdchen völlig in Anspruch genommen. Flachskopf jedoch hatte alles durchschaut, und es war ihm nun klar, daß der Mann nur deshalb so ernst vor sich hinstarrte und so törichte Bewegungen mit dem Pfosten machte, weil er einen Tüchtigen sitzen hatte.
    Und Flachskopf, der von der Wärme und dem Pfannkuchen durstig geworden war, betrachtete nun auch begierig die Reihen der Biergläser auf den Fensterbänken der Kneipe. Sie gehörten den Leuten bei der Kegelbahn, die der Kneipe den Rücken zukehrten und gespannt die rollende Kugel und die fallenden Kegel beobachteten. Sie schrieen alle zugleich bei jedem glücklichen und auch bei jedem unglücklichen Schub und bekamen dann immer gewaltigen Durst, griffen nach den Gläsern, setzten sie mit vorgestrecktem Ellbogen an den Mund und ließen den kühlen Trank hineinlaufen. Dann klopften sie an die Fensterscheibe, und Katoke, die Tochter von Peer Pastrei, füllte die Gläser von neuem. Flachskopf stand neben Gust Teut und guckte beim Würfelspiel zu. Der Mann machte ein gutes Geschäft, die Leute
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