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Fish vor die Hunde

Fish vor die Hunde

Titel: Fish vor die Hunde
Autoren: Susan Geason
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Frauen Mädels nannte — und jetzt mußte ich einen Mann mit einem Frauennamen anreden. Andererseits hatte ich schon Schlimmeres tun müssen, zum Beispiel Politiker mit Sir anreden.
    »Kein Problem, Paula«, sagte ich. »Und was treibt dich in die Arme eines alten Schulkameraden, Paula?«
    Sie überhörte meine Stichelei. »Ich brauche Hilfe, und ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann.«
    Sylvia, ein ausgekochtes kleines Biest mit Engelsgesicht, unterbrach uns mit zwei Tassen Milchkaffee und taxierte Paula mit einem Grad an Aufmerksamkeit, den Farmer nur bei Rassepferden an den Tag legen. Es fehlte nicht viel, und sie würde Paula in den Mund gucken und die Zähne zählen. Paula warf Sylvia einen Blick zu, der den Kopf des Mädchens sofort ein paar Millimeter zurückzucken ließ, und ich bekam einen flüchtigen Eindruck von der Härte, durch die sie es bis an die Spitze der Sex-Industrie gebracht hatte.
    Die Serviererin zog sich hinter ihren schützenden Tresen zurück und schnitt ein Gesicht. Ihre Lippen formten das Wort Silikon, was es mir schwer machte, mich auf die Geschichte zu konzentrieren, die Paula mir erzählen wollte.
    Neben ihrem Einsatz für die Interessen der Prostituierten mischte sie offenbar auch bei einer Bürgerinitiative gegen ein größeres Bauvorhaben in Darlinghurst mit. Die Anwohner gingen wegen der Zerstörung ihres alten Viertels auf die Barrikaden und hatten Paula als versierte Politstrategin zu ihrer Sprecherin gemacht.
    Das Viertel war im wesentlichen bevölkert von Rentnern, welche sich in mietpreisgebundenen Wohnungen, die schon seit 1939 kein Handwerker mehr betreten hatte, kümmerlich durchschlugen, und Wohngemeinschaften von Kunststudenten mit schwarz gestrichenen Wänden und versifften Küchen. Ansonsten gab es schäbige Arbeiterkneipen, muffige Eckläden, den einen oder anderen Puff und eine ständig fluktuierende Gesellschaft von Verlierern aller Art. Dafür hatte es etwas Unverfälschtes, und auch arme Leute konnten sich immer noch leisten, hier zu wohnen.
    »Was springt für dich dabei raus?« fragte ich.
    »Was soll das heißen, was springt für mich dabei raus?«
    »Na ja, ist nicht gerade deine Gegend, oder?«
    »Was ist los mit dir, Syd? Denkst du etwa, Huren hätten kein Herz?«
    Sie lachte über meine Verlegenheit. »Als Kind war ich oft bei meiner Großmutter in der Surrey Street. Sie war die einzige Erwachsene, die je was für mich übrig hatte. Man könnte sagen, die Surrey Street ist mir heilig. Ich will nicht, daß sie von Bulldozern plattgemacht und an Leute verscherbelt wird, die da nichts zu suchen haben.«
    Das war ein Argument. Wenn die Bauunternehmer Einzug hielten, würden die Bewohner ausziehen müssen. Junge Geschäftsleute mit BMWs und Volvos würden sich breitmachen, und Bioläden, Feinkostgeschäfte, Boutiquen und scheißteure Schickeria-Restaurants würden folgen. Die Läden an der Ecke würden Tofu und Croissants ins Sortiment nehmen müssen, die Kneipen renovieren und den Bierpreis verdoppeln. Fortschritt nannte man das.
    »Dieses Miststück Lorraine Lamont steckt dahinter«, sagte sie. »Der arme alte Trottel, den sie geheiratet hat, war noch nicht ganz kalt, da zieht sie sich schon irgend so n Lustknaben an Land und steigt mit dem geerbten Geld in die Spekulation mit Immobilien ein.«
    »Du meinst also, der Alte war für sie von vornherein nur als Goldgrube interessant.«
    »Mann, die ist schon mit nem silbernen Löffel im Mund geboren worden.«
    Offenbar hatte Lorraine Lamont einen ganzen Straßenzug schlichter Reihenhäuser viktorianischen Stils aufgekauft, um sie abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Das Objekt lag in einer Zone, wo laut Bebauungsplan nur kleinere Einfamilienhäuser zugelassen waren, aber die Chancen standen nicht schlecht, daß der zuständige Bezirksrat, der Eastern Sydney Council, eine Baugenehmigung für Hochhäuser erteilen würde. Wenn die Gerüchte stimmten, ging Lorraine aufs Ganze und hatte beim Council beantragt, das Areal einer anderen Bauzone zuzuteilen, damit sie in der Surrey Street auch Geschäfts- und Bürogebäude hochziehen konnte. Dadurch würde sich die Zahl der Mieter verdoppeln. Und der Profit.
    Der Bundesstaat New South Wales geriet angesichts der Kosten, die bei der Expansion Sydneys ins Umland auf ihn zukamen, langsam in Panik und verließ sich darauf, daß von den lokalen Councils Wohnungsbauprojekte mit größerem Überbauungsgrad genehmigt würden. Für die alteingesessenen Anwohner war
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