Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
Vom Netzwerk:
raste und schlug heftig gegen das zerschlissene und mit Schweiß durchtränkte T-Shirt, das sie als Nachthemd benutzte. Ihr Bettlaken war vollkommen zerwühlt. Es hatte sich um ihre Knöchel geschlungen.
    Wo war sie? Wer brauchte sie? Mit wem sollte sie gehen? Dann hörte sie ersticktes Atmen und Keuchen und ihr wurde schlagartig bewusst, von wem die Rede war. Sie roch frisch gebrühten Kaffee und den bitteren Rauch der für diesen Tag ersten Zigarette ihrer Mom. Und sie wusste, dass sie zu Hause war.
    Das Zuhause, das Alexandra Nicole Fielding mit ihrer Mutter teilte, war ein gepachteter Wohnwagen, der etwa vierzig Kilometer von dem entfernt war, was in Crow Creek, Montana, als Zivilisation durchging: dem nächsten McDonald's. Hardy Beeson, der widerliche Vermieter des Wohnwagens, bezeichnete diesen undichten Rostkübel als »Modul-Wohneinheit«. Aber die Kids an Alex' Schule hatten treffendere Bezeichnungen dafür - und auch für die Bewohner. »Dreckiges Wohnwagengesindel« hatte Ina Barrow Alex und ihre Mutter einmal genannt. Aber das hatte sie nur einziges Mal getan - in der Turnhalle, vor etwa neun Monaten, gleich nach Alex' vierzehntem Geburtstag. Und sie würde es nicht noch einmal wagen. Denn der Basketball, den Ina in den Händen gehalten hatte, löste sich auf einmal aus ihrem Griff und schnellte in die Höhe, schlug sie zu Boden und verpasste ihr eine blutige Nase. Damals fingen die Gerüchte an, dass an Alex irgendetwas Seltsames war, dass sie etwas von einer Hexe an sich hatte. »Mom! Rauchst du etwa?«, rief Alex. Als sie sich ruckartig aufsetzte, stieß sie sich den Kopf an einem Regal über ihrem schmalen Einbaubett.
    Alex riss die Arme hoch und ging in Deckung. Es regnete Bücher und Zeitschriften, gefolgt von einigen CDs und einem Schwung klappernder Kassetten. Eine ältere Ausgabe von Teen People - mit Marleigh Cooper auf dem Titelbild - fiel ihr in den Schoß.
    Marleigh Cooper. Weißblonde Haare. Blaue Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern.
    Makellos weiße Haut über leicht hervorstehenden Wangenknochen. Das Bild der jungen Sängerin löste irgendetwas in ihr aus ... das zarte Leuchten ihres Gesichtes, ihre weißen Zähne, ihre blasse Haut ... ihr zierlicher Körperbau. Was war das ? Alex erinnerte sich auf einmal an das Traumgesicht, das kreideweiße Gesicht des hageren alten Mannes, von dem sie auch schon früher geträumt hatte. Seine lebhaften Augen, die in tiefen Höhlen vergraben lagen, seine Stimme, die ein scharrendes Flüstern war.
    Das kann nicht sein, dachte sie. Das Traumgesicht - es war uralt und sah unheimlich aus. Wie konnte irgendetwas an Marleigh Cooper, die nur wenige Jahre älter als Alex und für ihre Schönheit berühmt war, die einen so freundlichen Eindruck machte, so von Grund auf gut erschien - wie konnte ausgerechnet sie an dieses Grinsen erinnern ? Dann fiel das letzte der Bücher herunter. Zum Glück war es nur ein Taschenbuch. Es prallte von Alex' Kopf ab, stieß gegen ihre schützend erhobenen Arme und landete in ihrem Schoß, wo es Marleighs fotogenes Lächeln verdeckte.
    »Ach herrje«, rief ihre Mutter mit einem leichten Glucksen in ihrer rauen Stimme. »Hat dich das Regal wieder erwischt? Alles in Ordnung?« Alex lachte inmitten ihres Haufens aus Büchern und zerknautschter Bettwäsche. »Ich hab zuerst gefragt«, brüllte sie und runzelte dann die Stirn, als der würgende Husten ihrer Mutter wieder einsetzte. »Mom, du hast gesagt, dass du es aufgibst«, rief sie, während sie das Taschenbuch aus ihrem Schoß hob.
    Mythen und Magie aus alter Zeit war der Titel. Sie hatte es aus der Bibliothek ausgeliehen, um in der Schule ein Referat darüber zu halten. Was sie natürlich vergeigt hatte. Aber das Buch ... Das Buch hätte sie schon vor Wochen zurückbringen müssen! Na klasse. Die Strafgebühren, die sich inzwischen angesammelt hatten, würden wahrscheinlich ihren kompletten Lohn auffressen.
    Was war nur los mit ihr? In letzter Zeit war sie irgendwie nicht mehr ganz da. Selbst ihren beiden Freunden, war das aufgefallen. Evan, mit dem sie im Big Sky arbeitete, einem WildWest-Erlebnispark, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit den Knöcheln an Alex' Kopf zu klopfen und dabei »Hallo, ist da jemand?« zu rufen. Und ihre beste Freundin Lucinda begann etwa jeden zweiten Satz mit »Hörst du mir eigentlich zu, meine Liebe?«, was Alex total nervte. Und jetzt hatte sie wieder diese durchgeknallten Träume. Artemis, erwache. Diese knarrende Stimme. Ganz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher