Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
Vom Netzwerk:
deutlich hatte sie sie vernommen. Ebenso deutlich, wie sie vor einigen Wochen Andy Yatz gehört hatte.
    Am Tag, nachdem sie sich ihre langen Haare hatte absäbeln und färben lassen, war Alex dem Typ, von dem die halbe Schule schwärmt, im Gang begegnet. Sie hätte schwören können, dass er Hallo, Puppe gesagt hatte. Es war seine Stimme, eindeutig. Nur dass Andy in Wirklichkeit keinen Laut von sich gegeben hatte.
    Das hatte ihr Lucinda, die direkt dabeistand, hoch und heilig versichert.
    Alex blätterte willkürlich durch das Bibliotheksbuch, die Seiten nur oberflächlich betrachtend, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte.
    Der röchelnde Husten setzte wieder ein, diesmal leicht gedämpft. Ihre Mutter hielt sich wahrscheinlich ein Geschirrtuch vor den Mund oder so was. Ohne den Blick von ihrem Taschenbuch zu heben rief Alex: »Mach sie aus, Mom!« Und dann sah sie es. Da stand es schwarz auf weiß - Artemis! Jetzt erinnerte sie sich auch daran, was sie über die Figur der Artemis gelesen hatte, dass sie die Göttin der Jagd war, eine grimmige und rachsüchtige Kriegerfürstin der Antike. Zugleich jedoch eine Beschützerin. Herrin der Tiere hatten die alten Griechen sie genannt. Behüterin erfrischender Jugend. Tiere und Kinder waren ihr heilig. Der Legende zufolge beherrschte Artemis den Mond, während ihr strahlender Zwillingsbruder Apollo der Hüter der Sonne war. Das erklärte alles. Alex klappte das Buch zu und stand auf. Na bitte, sie wurde also doch nicht langsam bekloppt. Der Name, die Stimme, sie hatte einfach nur wieder einmal ihren seltsamen Traum mit diesem Gesicht gehabt - nur dass sie diesmal zuvor etwas über Artemis gelesen und die legendäre Göttin mit eingebaut hatte.
    Trotzdem, dachte Alex, als sie ihr abstellkammergroßes Zimmer verließ und den schmalen Flur in Richtung Kochzeile am anderen Ende des Wohnwagens entlangschlurfte, das erklärte noch nicht, weshalb sie Andy Yatz' Gedanken lesen konnte. Oder warum ein Basketball der großmäuligen Ina Barrow knallhart gegen den Schädel prallte, bloß weil Alex ihn hasserfüllt angesehen hatte. Oder diese ganzen anderen seltsamen Dinge, die in letzter Zeit abliefen. Sie war Anfang des Jahres an die Crow Creek Regional gekommen. Lag es an der Schule ? War irgendwas Abartiges in den Wänden, Asbest vielleicht, das der Auslöser für all diese merkwürdigen Sachen sein könnte ? Schon öfter hatte sie versucht eine Erklärung zu finden, aber früher oder später kam sie immer an den gleichen Punkt. Mit der Schule war alles in Ordnung. Nichts Bedrohliches lauerte im Gebäude oder versteckte sich in den kotzgrünen Wänden. Es lag an ihr. In ihr selbst steckte es. Etwas, das sie verunsicherte.
    Ihre Mutter stand an dem kleinen Herd und machte Rührei. Natürlich rauchte sie dabei. Alex stand hinter ihr, runzelte die Stirn und wünschte, dass irgendjemand oder irgendetwas ihre Mom zum Aufhören bewegen könnte. Plötzlich fiel ihr die Zigarette aus dem Mund und landete zischend in der Pfanne. »Was zum Teufel ...?« Ihre Mutter war einen Augenblick lang verwundert, dann blickte sie Alex argwöhnisch über ihre Schulter an und versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. »Sehr witzig. Lass das sein.«
    »Ich hatte nichts damit zu tun, ehrlich«, schwor Alex. Es war jedoch genau das passiert, was sie sich in diesem Moment vorgestellt hatte: Ihrer Mom einfach die Kippe aus dem Mund zu reißen! »Wann ist denn dein Termin ?«
    »In der Klinik? So gegen drei Uhr, glaube ich.« Ihre Mutter schnappte sich einen Topflappen, der auf der angeschlagenen Kunststoff-Arbeitsplatte lag, und nahm die Pfanne vom Herd. »Und du gehst ganz normal arbeiten, okay? Ich komme da hervorragend allein mit zurecht.«
    »Mom, ich will mitgehen. Ich habe schon wieder so was total Seltsames geträumt... « Ihre Mutter fischte die fettdurchtränkte Zigarette aus der Bratpfanne und warf sie in den Abfall. »Was war denn das vorhin für ein Lärm?«, schnitt sie ihr das Wort ab. »Wieder mal der Zweikampf zwischen Mädchen und Regal?«, versuchte sie zu scherzen. Doch Alex hörte nur das Pfeifen ihres Atems zwischen den Wörtern. »Klar. Was sonst?« Sie zwang sich, ihrer Stimme einen ebenso fröhlichen Klang zu geben. »Ich dachte, du hättest Beeson gesagt, dass er es abmontieren soll.«
    »Hardy Beeson? Aber erst etwa zehnmal. Ich würde es ja selber machen, wenn die Schrauben nicht so eingerostet wären. Dein Daddy hätte keine fünf Minuten gebraucht, um es abzukriegen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher