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Finster

Titel: Finster
Autoren: authors_sort
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zwitschern und trällern. Aber in erster Linie hörte ich meine eigenen Schritte auf dem Beton des Bürgersteigs. Es war ein gleichmäßiges Geräusch. Jeder Schritt klang wie der vorherige, wenn ich nicht gerade auf etwas trat: ein Blatt, einen Stein, einen Zweig.
    Mir fiel auf, wie schnell die Schritte aufeinanderfolgten, und ich ging langsamer. Warum sollte ich mich beeilen? Mein einziges Ziel war ein Donutshop, der niemals schloss.
    Und außerdem war das nur ein zufällig gewähltes Ziel. Letztlich gab es keinen wichtigen Grund, dorthin zu gehen.
    Was war mit den Donuts, die ich Eileen versprochen hatte?
    Versprochen hatte ich eigentlich nichts.
    Aber ich hatte gesagt, ich würde ihr welche mitbringen, und ich wollte mein Wort halten.
    Sehr wahrscheinlich wäre ich auch zu Dandi Donuts gegangen, wenn sie nicht aufgetaucht wäre. Also war es keine große Sache. Nur dass ich nun verpflichtet war, dorthin zu gehen.

    Und mit den Donuts zurück zu sein, bevor ihr Zehn-Uhr-Seminar begann.
    Ich muss nicht, sagte ich mir. Ich muss überhaupt nicht zurück zum Campus oder zu meiner Wohnung oder sonst wohin. Wenn ich will, kann ich einfach immer weitergehen.
    Dann kam mir in den Sinn, dass ich nach Norden lief. Wenn ich weiter in diese Richtung ginge, würde ich irgendwann in Seattle landen … der Heimat von Holly und Jay.
    Sehnsucht, Wut und Trauer stiegen in mir auf.
    Aber ich ging weiter.
    Ich werde nicht nach Seattle gehen, sagte ich mir.
    Tatsächlich hatte ich erwogen, hinzufliegen, nachdem ich am Freitag Hollys Brief erhalten hatte. Doch ich hatte mich dagegen entschieden. Wenn sie mich für ein Arschloch aus dem Sommerlager abservierte, lag es mir fern, mich aufzudrängen … oder um ihre Liebe zu betteln wie ein totaler Loser. Sie konnte ihren Jay behalten und ich meinen Stolz. Ich betrank mich.
    Ich würde nicht nach Seattle reisen.
    Mit ein wenig Glück würde ich Holly Johnson nie wiedersehen.
    Ich wünschte nur, auch nicht mehr an sie denken zu müssen. Kurz darauf ging mein Wunsch in Erfüllung, als mir ein Mann mit seinem Hund auf dem Bürgersteig entgegen kam. Der Mann war untersetzt, dunkelhäutig und bärtig und trug einen schwarzen Turban. Der Hund an der Leine sah aus wie ein Rottweiler.
    Ein Rottweiler an einer dieser endlos langen Leinen, die
ihm ein paar Minuten Zeit lassen würden, sein Opfer zu zerfetzen, ehe der Halter ihn zu sich zerren konnte.
    Beinahe hätte ich die Straßenseite gewechselt, aber es wäre zu offensichtlich gewesen. Der Mann hätte gekränkt sein oder mich für einen Feigling halten oder gar annehmen können, ich wäre einer dieser Eiferer, die Vorbehalte gegen Turbanträger haben. Deshalb blieb ich auf meiner Seite der Straße.
    Als sie näher kamen, lächelte ich, nickte dem Mann zu und trat höflich vom Bürgersteig, um sie vorbeizulassen.
    Der Hund, der ein gutes Stück vor dem Mann lief, trottete zu mir und schnüffelte am Schritt meiner Jeans.
    Ein kräftiger Biss …
    Der Mann am anderen Ende der Leine schien sich für die Aktivitäten seines Hundes nicht zu interessieren.
    »Schöner Hund«, sagte ich mit sanfter Stimme.
    Er stieß mich mit der Schnauze an. Ich trat einen Schritt zurück, und der Hund knurrte.
    Schließlich erreichte der Mann uns. Er sah stur nach vorn und ging vorbei, ohne uns auch nur einen Blick zuzuwerfen. Der Hund leckte an meinem Hosenschlitz.
    »Geh weg da«, brummte ich.
    Obwohl der Mann schon fünf Meter entfernt war, wandte er nun den Kopf und sah mich finster an. »Es ist verboten, mit meinem Hund zu sprechen.«
    »Entschuldigung.«
    Er ging weiter und rollte die Leine ein. Der Hund stupste mich noch ein letztes Mal mit der Schnauze an, dann drehte er sich um und folgte seinem Herrchen.

    Ich blickte missmutig in ihre Richtung, aber keiner der beiden bemerkte es.
    Ich glaube, der Typ war der Meinung, ihm gehöre der Bürgersteig und seinem Hund mein Schritt.
    »Arschlöcher«, murmelte ich.
    Auch das bekamen sie nicht mit. Was wohl auch besser war. Der Mistkerl hätte den Hund auf mich hetzen oder mit einem Krummschwert auf mich losgehen können. (Falls er eines dabeihatte, ich konnte es nicht sehen … aber wer weiß, was er unter seinem fließenden Gewand verbarg.)
    Jedenfalls ging ich weiter und hielt aufmerksam Ausschau nach Hunden. Es schienen zwar keine weiteren aufzutauchen, aber wenn ich an Häusern vorbeikam, löste das gelegentlich Anfälle von wildem Gebell hinter den Zäunen und Toren aus. Die Hunde konnten mich nicht erreichen,
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