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Finster

Titel: Finster
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nach Sommer als nach Herbst an. Da ich zügig lief, fing ich in meinem Chamois-Hemd und der Jeans an zu schwitzen. Also ging ich langsamer. Schließlich hatte ich es nicht eilig.
    Obwohl ich ohne Ziel gestartet war, ging ich nach Osten.
    Ohne Ziel?
    Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Ich hatte meinen Spaziergang nicht mit dem Vorsatz begonnen, zu Hollys Studentenwohnheim zu pilgern, aber genau dort ging ich hin. Meine Füße schienen mich von allein in die Richtung zu tragen. Die Strecke war ich viele Male gelaufen. Anstatt mich zum Vordereingang zu begeben, näherte ich mich der Rückseite des Gebäudes. Ich blieb nicht stehen, ging aber sehr langsam.
    Dort war die Veranda, auf der Holly und ich uns nachts so oft zum Abschied geküsst hatten - manchmal eine ganze Stunde oder länger.
    Das dritte Fenster von der südlichen Ecke des Gebäudes im ersten Stock war das große Panoramafenster von Hollys Zimmer. Ihres ehemaligen Zimmers. Das Fenster war dunkel. Ein anderes Mädchen schlief wahrscheinlich in dem Raum dahinter … in demselben Bett, in dem Holly immer geschlafen hatte.

    Und wo war Holly jetzt? In ihrem eigenen Bett im Haus ihrer Eltern in Seattle? Oder in Jays Bett?
    Wahrscheinlich fickt er sie gerade.
    Ich konnte es mir vorstellen. Ich konnte es fühlen. Ich konnte Hollys weichen warmen Körper unter mir spüren, ihren begierigen Mund auf meinen Lippen, ihre Zunge in meinem Mund, eine ihrer Brüste in meiner Hand, ihre schlüpfrige feuchte Enge, die sich an mich presste.
    Nicht an mich, sondern Jay.
    Er ist so außergewöhnlich und einfühlsam.
    »Ed?«
    Verdammt!
    Ich lächelte gezwungen und drehte mich um. »Ach, hallo Eileen.«
    Eileen Danforth, ein Mädchen aus Hollys Verbindung und eine ihrer besten Freundinnen. Sie kam vermutlich aus der Bibliothek oder dem Studentenhaus. Der Wind blies durch ihr langes dunkles Haar.
    »Wie geht’s?«, fragte sie.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Du hast bestimmt Hollys Brief bekommen.«
    Natürlich wusste Eileen alles über den Brief.
    »Ja«, sagte ich.
    »Krass.«
    Ich nickte nur.
    »Unter uns gesagt, ich finde, Holly hat Mist gebaut.«
    »Danke.«
    »Ich habe keine Ahnung, was in sie gefahren ist.«
    »Ich schon«, murmelte ich.
    Eileens Gesicht zuckte, als hätte sie einen kurzen scharfen
Schmerz gespürt. »Ja«, sagte sie. »Ich auch. Tut mir echt leid.«
    »Danke.«
    Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich eine Schande. Aber wer weiß? Vielleicht bist du ohne sie besser dran.«
    »Fühlt sich nicht so an.«
    Eileen presste die Lippen zusammen. Sie sah aus, als würde sie anfangen zu weinen. »Ich weiß, wie das ist«, sagte sie. »Bei Gott.« Sie hob die Augenbrauen. »Und, bist du nur hergekommen, um das Haus anzustarren?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur zum Donutshop.«
    »Dandi?«
    »Ja.«
    »Um diese Zeit?«
    »Er hat durchgehend geöffnet.«
    »Ich weiß, aber … es ist ziemlich weit außerhalb.«
    »Zehn Kilometer.«
    Sie verzog das Gesicht. »Das ist wirklich ein langer Weg.«
    »Ich hab nichts Besseres zu tun.«
    Sie sah mir eine Weile in die Augen. »Kannst du ein bisschen Gesellschaft gebrauchen?«, fragte sie dann. »Gib mir ein paar Minuten, damit ich meine Bücher wegbringen kann, und …«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich möchte lieber allein sein.«
    »Du solltest aber nicht den langen Weg ganz alleine gehen.«

    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Es ist mitten in der Nacht.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Lass mich mitkommen, okay?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf. »Vielleicht ein anderes Mal.«
    »Gut, deine Sache. Ich will dir nicht … auf die Nerven gehen.«
    »So war das nicht gemeint.«
    »Ich weiß. Ich versteh schon. Du willst einfach allein
    sein.«
    »Ja.«
    »Aber sei vorsichtig, ja?«
    »Okay.«
    »Und mach keine … Dummheiten.«
    »Ich werd mir Mühe geben.«
    »Das ist nicht das Ende der Welt.«
    Ich stellte mir vor, dass meine Mutter genau dasselbe gesagt hätte, wenn ich zu Hause angerufen und ihr die Sache mit Holly erzählt hätte.
    »Es kommt einem nur so vor.«
    Das hätte meine Mutter vermutlich nicht hinzugefügt.
    »Ja«, sagte ich.
    »Aber es wird wieder besser. Bestimmt. Du lernst eine andere kennen und …«
    Das hätte wahrscheinlich mein Vater gesagt.
    »Du wirst dich wieder verlieben.«
    »Mein Gott, hoffentlich nicht.«
    »Sag so was nicht.«
    »Entschuldigung.«

    »Tu mir einen Gefallen, ja? Bring mir zwei Donuts mit.« Das war typisch Eileen. Ich wusste, dass sie
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