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Finster

Titel: Finster
Autoren: authors_sort
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ihr stumpfsinniger Krawall verkündete jedoch der gesamten Nachbarschaft meine Anwesenheit. Ich wollte nur still und unsichtbar vorbeigehen, niemand sollte überhaupt wissen, dass ich da war.
    Bald wurden die Bellattacken seltener. Entweder ging ich leiser oder hatte einfach eine Gegend mit weniger Hunden erreicht. Was auch immer der Grund war, ich begann, mich ein wenig zu beruhigen.
    Die Nacht war sehr friedlich.
    Ich sah eine weiße Katze über die Straße huschen und unter einem parkenden Auto Schutz suchen. Ich hörte eine Eule rufen. Manchmal war es so still, dass ich das leise Summen der Straßenlaternen wahrnahm.
    Als ich von einem Bürgersteig auf die Straße trat, ließ
mich ein lautes Ring-ring-ring nach Luft schnappen. Ich sprang zurück, und ein Fahrrad zischte an mir vorbei.
    »Scheiße!«, stieß ich hervor.
    »Hui!«, schrie die Radfahrerin, eine dürre ältere Frau in hautenger Stretchhose und mit nach hinten gedrehter Baseballkappe.
    Eine modebewusste alte Schachtel.
    Sie blickte über die Schulter zurück und grinste mich an. Ich konnte ihr Gesicht nicht besonders gut erkennen, aber es war bleich und dünn, und ich hatte den Eindruck, dass die meisten Vorderzähne fehlten. Aus irgendeinem Grund bekam ich eine Gänsehaut, die auch dann nicht verschwand, als sie sich abwandte und davonstrampelte.
    An der nächsten Kreuzung bog sie ab. Ich war froh, dass sie aus meinem Blickfeld verschwunden war, aber zugleich fürchtete ich, sie würde eine Runde drehen, um noch einmal an mir vorbeizufahren.
    Vielleicht hatte ich sie gekränkt. Vielleicht wollte sie sich rächen. Vielleicht hatte sie vor, beim nächsten Mal ihren Arm auszustrecken, mich mit einem knorrigen Finger zu berühren und »Lös dich in Luft auf« oder »Kröte« oder »Rektum« oder so was zu flüstern.
    Ich glaubte nicht, dass es wirklich geschehen würde, aber es ging mir auf jeden Fall durch den Kopf.
    Deshalb wechselte ich die Straßenseite.
    Eine Weile ging ich langsam weiter und blickte häufig zurück. Ich fühlte ein seltsames Kitzeln in meiner Brust, wie ein unterdrücktes Kichern oder Schreien, das nur darauf wartete auszubrechen, wenn die Hexe um die Ecke geradelt kam.

    Um auf Nummer sicher zu gehen und mich zu beruhigen, bog ich schließlich in eine Seitenstraße. Ich ging ein kurzes Stück, bis ich zwei Kreuzungen weiter die Franklin Street erreichte und meine Reise nach Norden fortsetzte.
    Hier wird sie mich nicht finden, dachte ich.
    Eine halbe Stunde lang passierte nichts. Ich lief einfach weiter die Franklin Street entlang. Die Häuser schienen hier ein wenig älter zu sein als an der Division Street. Hin und wieder bellte ein Hund. Hier waren noch weniger Häuser beleuchtet. Nur ein oder zwei Autos fuhren vorbei. Ich sah niemanden herumlaufen … oder mit dem Fahrrad fahren.
    Doch dann kam aus östlicher Richtung ein Mädchen.
    Ungefähr zehn Meter vor mir näherte sie sich von rechts der Kreuzung. Sie blickte nach vorne. Zufälligerweise befand ich mich im Schatten eines Baums.
    Ich blieb stehen und hielt die Luft an.
    An der Ecke drehte sie mir den Rücken zu, um die Seitenstraße zu überqueren.
    Ich stand regungslos da und beobachtete, wie sie der Franklin Street folgte.
    Erst als sie die Hälfte des nächsten Häuserblocks hinter sich gebracht hatte, setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich trat aus dem Schatten des Baums, ging zur Kreuzung und überquerte ebenfalls die Seitenstraße.

3
    Ich verfolgte sie nicht. Ich hielt einfach nur meinen Kurs zu Dandi Donuts.
    Aber ich folgte ihr nicht.
    Wenn sie an der Ecke einen anderen Weg eingeschlagen und ich meine ursprüngliche Route verlassen hätte, dann könnte man sagen, ich würde sie verfolgen. Aber das war nicht der Fall. Sie hatte sich einfach auf dem Bürgersteig, den ich entlangging, vor mich gesetzt.
    Das war ihr gutes Recht, genauso wie es mein gutes Recht war, weiter bei meiner Route zu bleiben.
     
    Ich lief eine Zeit lang in meinem normalen Tempo weiter und verringerte den Abstand zwischen uns. Dann ging ich langsamer. Ich wollte sie nicht überholen.
    Wenn ich eine Frau nachts auf dem Bürgersteig überhole, wenn niemand sonst in der Nähe ist, finde ich das immer unangenehm. Während ich mich nähere, befürchten die Frauen, ausgeraubt, vergewaltigt oder ermordet zu werden. Sie werfen mir einen nervösen Blick zu. Und wenn ich an ihnen vorbeieile, versteifen sie sich.
    Ich bin kein Monster. Ich wirke nett, fröhlich und harmlos. Aber ich bin ein Mann. Das
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