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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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laufender Kamera ermorden? Das ergibt keinen Sinn. Wenn das einfach nur ein Taschenraub wäre, dann hätte man den nicht im ›Forum‹ begangen, sondern weit weg von der Menschenmenge und den Überwachungskameras. Alles weist darauf hin, daß die Tat von einem Profi geplant wurde, und Sami Rossi ist alles andere als ein Profi.«
    »Auch die einfachste Erklärung kann sich zuweilen als richtig erweisen«, entgegnete Wrede in offiziellem Tonfall, obgleich er die Meinung seines Kollegen schätzte. Ojalas Karriereleiter führte fast genauso steil nach oben wie seine eigene. »Nun sage endlich, worauf du hinauswillst.«
    In aller Ruhe zog sich Ojala einen Metallstuhl heran, der an der Wand stand, und setzte sich. »Die von Berninger geleitete politische Abteilung berichtet dem deutschen Außenministerium und der Bundesregierung über die finnische Innen- und Außenpolitik, und Berninger unterhielt selbst eifrig Kontakte zu finnischen Ministern und Abgeordneten.« Die Ermittlungen in diesem Fall seien Sache der Sicherheitspolizei.
    Wrede mußte zugeben, daß es so aussah, als wäre das ein spezieller Fall. Das sagte er jedoch nicht laut. »Hast du mit deinen Vorgesetzten gesprochen? Wollen die auch, daß die SUPO den Fall übernimmt?«
    »Ja, alle. Auch Kesämäki war der Meinung.«
    »Das hättest du doch gleich sagen können.« Wrede zögerte nun nicht mehr. »Ist Rossi schon verhaftet?«
    »Noch nicht. Aber am Mittsommertag muß man den diensthabenden Haftrichter sicher rechtzeitig anrufen«, erwiderte Ojala und ahmte die Bewegung beim Trinken aus der Flasche nach, verzog sein Gesicht scherzhaft zu einem Grinsen und reichte dem Schotten einen Stapel Unterlagen. »Hier ist das gesamte Ermittlungsmaterial. Das Personenprofil von Sami Rossi ist fertig, aber auf die Informationen über Berninger aus Deutschland warten wir noch. Man muß korrekt vorgehen, der Mann war Diplomat.«
    Wrede versprach, die Sache in die Hand zu nehmen, und verabschiedete sich von Ojala. Dann reinigte er hastig seine Pistole, brachte sie zurück in das Waffenmagazin und ging zu den Aufzügen. Seine Schritte hallten in dem unterirdischen Gang wider, in dem gähnende Leere herrschte; am Morgen des Mittsommertages arbeitete in der Ratakatu 12 nur eine Minimalbesetzung.
    Im dritten Stock holte sich Wrede aus der Kochnische Kaffee und breitete die Unterlagen, die er von Ojala erhalten hatte, auf seinem Schreibtisch aus. Das schwache Lüftchen, das durch die Fenster hereinwehte, konnte die schwüle Hitze kaum mildern. Es würde ein heißer Tag werden, dachte Wrede.
    Der Wunsch Kesämäkis, des Leiters der Polizeiabteilung im Ministerium, war ihm Befehl. Zumindest so lange, bis man ihn, Wrede, in einer Woche zum künftigen Chef der SUPO ernannt hätte, zum Nachfolger von Polizeirat Jussi Ketonen. Nun endlich hatte Ketonen bekanntgegeben, er werde Ende des nächsten Sommers in Rente gehen. Daraufhin hatte Wrede alle seine Bekannten angespitzt, auf Flüsterparolen geachtet und sämtliche Buschfunkstationen vom südlichsten bis zum nördlichsten Zipfel Finnlands eingeschaltet, um die Gerüchte über die bevorstehende Entscheidungder Präsidentin in Erfahrung zu bringen und auszuwerten. Trotz der katastrophalen Ergebnisse bei den Ermittlungen im Fall Rusi schien seine Ernennung sicher. Das war auch richtig so, schließlich hatte er in den letzten Jahren als Leiter der operativen Abteilung und als Stellvertreter des Chefs rund um die Uhr geschuftet. Jetzt war es an der Zeit, daß er die nächste Sprosse auf der Karriereleiter erklimmen konnte.
    Der Fernseher knackte, und der Bildschirm leuchtete auf. Wrede wollte immer auf dem laufenden bleiben. Plötzlich hörte er das Wort »Finnland« und sah den CNN-Reporter in der hellen Nacht des Nordens vor einem gewaltigen Mittsommerfeuer stehen. Da stieg die Wut in ihm hoch. Für einen Augenblick hatte er ganz vergessen, warum er den Mittsommertag auf Arbeit verbrachte. Daran war seine Frau schuld. Er haßte es, wie der Schwager ständig mit seinem Geld protzte, dennoch hatte Aino ihren Bruder zum Wochenende in ihr Sommerhaus eingeladen. Und dabei hatte Wrede sich doch extra für die Mittsommersteaks ein geschmiedetes Arcos-Bratenmesser gekauft und so seine Messersammlung erweitert. Er schaute hinaus und sah, daß die Luft vor Wärme flimmerte. Eine Schweißperle rollte ihm auf die Stirn, er schwitzte in seinem Westover. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder beruhigt hatte.
    Papier raschelte, als Wrede das
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