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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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Rhythmus eines äußerst unmusikalischen oder betrunkenen Orchesters. Zum erstenmal hörte Ratamo den Tango Pelargonia als alten finnischen Foxtrott.
    Während sich Ratamo auf der einen Seite mit dem Seil abplagte, lehnten sich zwei betrunken vor sich hin brummende Gestalten gegen die gegenüberliegende Seite des schwankenden Ruderbootes, um zu verhindern, daß der Kahn Wasser schluckte. Der zwei Meter große Timo Aalto preßte seine Füße gegen Ratamos Knöchel, damit der nicht ins Wasser plumpste. Lapa Väisälä bewegte seine Hände wie der Schlagzeuger eines Orchesters; abwechselnd pichelte er aus einer Flasche Bier und einer mit Weinbrandverschnitt. Das Trio versuchte eine Betonplatte vom Meeresgrund hochzuheben, mit der das auf Pontons errichtete Mittsommerfeuer verankert war, das etwa zehn Meter entfernt loderte. Keiner von ihnen wußte, wem das Feuer gehörte, das sie stehlen wollten, sie wußten nur, daß sie auf dem Weg von Lapa Väisäläs Sommerhütte in Rymättylä nach Naantali waren, um dort Frauen aufzureißen.
    Die drei Saufkumpane hielten den Diebstahl des Mittsommerfeuers für eine glänzende Idee, doch die Leute, die am Ufer feierten, waren da ganz anderer Meinung. Es dauerte nicht lange, und zwei Boote voller aufgebrachter Männer, die sich heftig in die Riemen legten und laut fluchten, ruderten zu den Feuerdieben hin. Zu deren Glück waren auch ihre Verfolger schon in einem sehr angeheiterten Zustand, ihre Boote drehten sich also mal in diese und mal in jene Richtung.
    Ratamo sah die Umrisse der Betonplatte zwei, drei Meter unter der Wasseroberfläche. Die Flammen des Feuers beleuchteten die Bühne des Sabotageakts wie ein Scheinwerfer. Sein vom Schnaps betäubtes Gehirn versuchte ihm mitzuteilen, daß er nie und nimmer fähig sein würde, den schweren Brocken aus dem Wasser zu heben, der mußte ein paar hundert Kilo wiegen. Und außerdem kamen die Männer, die etwas gegen den üblen Scherz hatten, immer näher, trotz unsicherer Ruderschläge, die sie aber dennoch vorwärts brachten. Nach dem klatschenden Geräusch ganz in der Nähe zu urteilen, waren sie schon auf Wurfweite heran. Die Betonplatte schaukelte noch einen Meter von Ratamo entfernt, als das Boot Wasser schluckte.
    Timo Aalto verlor als erster die Nerven. »Laß es sein, Aatsi. Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig, das Feuer wegzuschleppen.«
    Ratamo schaute kurz über die Schulter zu seinem Jugendfreund. Soweit er das alles noch begreifen konnte, hatte Himoaalto 1 recht, und der ganze Witz bekam auch schon einen schalen Geschmack. Ratamo ließ das Seil los, das er sich um sein Handgelenk gewunden hatte. Die Betonplatte tauchte wieder hinab auf den Meeresgrund, das Seil verhakte sich aber an Ratamos Armbanduhr, und er stürzte ins Wasser wie eine hungrige Seeschwalbe.
    Väisälä sprang auf, stand schwankend im Bug des wackligen Bootes und setzte zum Sprung an, man konnte denken, er wollte wie Superman als Lebensretter in die Geschichte eingehen.
    Himoaalto zog Väisälä auf den Sitz zurück, rutschte an den Bootsrand und wollte sich gerade über Bord schwingen, als Ratamos Kopf an der Oberfläche auftauchte. Der Freund prustete und hustete sich das Meerwasser aus den Lungen.
    »Gottverdammich, ich wäre beinah ertrunken.«
    »He! Gleich wird euch Kerlen das Fell gegerbt, bis ihr grün und blau seid!« brüllte der Mann im Bug des Bootes, das sich den Feuerdieben schon bis auf wenige Meter genähert hatte. Im selben Augenblick klatschte irgend etwas Feuchtes und Klebriges, das widerlich roch, in Väisäläs Gesicht. Nach dem Gestank zu urteilen, war der halbverfaulte Barsch seine letzten Runden irgendwann vor hundert Jahren geschwommen.
    »Die kriegen uns ja gleich«, rief Himoaalto.
    »Die kriegen nicht mal die Tür zu«, stammelte Ratamo, der sich mühsam wieder ins Boot gehievt hatte.
    Väisälä startete den Johnsson-Motor mit seinen fünf PS und gab Gas. Das Boot mit den Männern, die sie am liebsten gelyncht hätten, war nur noch ein paar Armlängen entfernt. Um ein Haar hätte der Mann im Bug mit seinem Bootshaken das Heck ihres hölzernen Kahnes erreicht.
    Die Leistung des kleinen Außenbordmotors reichte mit Müh und Not aus, um die drei großen, schweren Männer so weit weg zu bringen, daß sie außerhalb der Reichweite ihrer Verfolger waren. »Der beschleunigt ja wie ein Bücherregal!« schimpfte Ratamo.
    Die Verwünschungen flogen ihnen auf der glatten Wasseroberfläche noch eine ganze Weile hinterher, die letzten
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