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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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Dinge zu reden.
    Laura beschloß, sich ein Sorbet aus dem Gefrierschrank zu holen. In der Küche erblickte sie an der Tür die Antwort eines Zweitkläßlers, die dieser in einer Arbeit auf die Frage »Was gehört zum peripheren Nervensystem?« gegeben hatte: »Haut und Haar.« Sie lächelte, änderte ihre Meinung, was das Eis anging, und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
    Laura ließ sich auf die Matratze fallen und hörte den städtischen Sommergeräuschen zu, die durch das offene Fenster hereindrangen. Sie strich über ihre Locken und dachte nach. Hatte ihr Sami alles erzählt, was im »Forum« geschehen war? Sie fürchtete, er könnte eine Dummheit begangen haben. Sami war nicht gerade sehr gesprächig, man mußte jedes Wort mit der Kneifzange aus ihm herausziehen. Allerdings hatte auch Laura ihrem Mann nicht alles erzählt. Sie verbarg ein Geheimnis, genaugenommen sogar zwei. Kein einziger Mensch war absolut ehrlich.
    Die schrille Klingel an der Tür hallte in der leeren Wohnung wider. Die werden doch wohl nicht schon die Fernsehgebühren eintreiben wollen, dachte Laura. Sie stand auf und räkelte sich genußvoll, doch Sami kam schon aus dem Bad gepoltert. »Ich mache auf!« rief er, seine Stimme übertönte das Brummen der Waschmaschine.
    Rossi zog sich Trainingshosen an, schlüpfte in ein T-Shirt und rannte zur Tür. Er wußte sofort, daß irgend etwas nicht stimmte, als er die ernste Miene eines Mannes mit Schlips und Kragen sah. Hinter ihm stand das zweite Ebenbild eines Beamten.
    »Sami Rossi?« fragte der Mann und erhielt als Antwort ein Nicken.
    »Wachtmeister Kari Arponen von der Kriminalpolizei in Helsinki.« Der Mann hielt ihm seinen Dienstausweis hin. »Ich muß Sie bitten mitzukommen, es betrifft den Tod von Dietmar Berninger.«
    Rossi versuchte gar nicht erst, den Überraschten zu spielen, die Polizei hatte bestimmt die Leiche des Deutschen im Aufzug gefunden. Aber woher wußten sie, daß er selbst dort gewesen war? Sollte das bedeuten, daß er sich von dem Geld verabschieden mußte? »War es Herzversagen?« fragte Rossi.
    »Über die Einzelheiten wird in Pasila geredet«, sagte der Polizist und legte nach: »Sie werden verhört, weil Sieunter dem Verdacht stehen, ein Verbrechen begangen zu haben.«
    Ein Lächeln huschte über Rossis Gesicht, ehe ihm klar wurde, daß der Wachtmeister nicht scherzte. »Was für ein Verbrechen?«
    »Totschlag oder Mord. Ziehen Sie sich an und packen Sie eine Zahnbürste ein und was sonst noch nötig ist«, sagte der Polizist ungeduldig.
    Die Männer starrten sich einen Augenblick an, nur Rossis heftiges Atmen störte die Stille. Er versuchte seine Gedanken in Worte zu fassen, aber ihm schwirrten nur ständig die Begriffe »Totschlag oder Mord« durch den Kopf. Wie konnte die Polizei nur so einen schwerwiegenden Irrtum begehen. »Ich habe doch nicht …«
    »Darüber wird dann beim Verhör zu reden sein. Sie haben genau eine Minute Zeit, danach müssen wir Gewalt anwenden«, schnauzte der Wachtmeister ihn an und erreichte damit, daß Rossi sich in Bewegung setzte.
    Laura trat mit blassem Gesicht vor den Polizisten. Sie wollte das Gesicht des Mannes sehen. Das mußte ein Scherz sein, den Klasu und Sami organisiert hatten. Die Wahrheit wurde ihr allerdings sofort klar, als sie den wütenden Gesichtsausdruck des Polizisten sah. Sie wandte sich an den Beamten: »Dieser Diplomat hatte einen Herzanfall. Mein Mann hat nichts getan.«
    Dem Wachtmeister schien es unangenehm zu sein. »Gute Frau, bleiben Sie mal ganz ruhig. Alles wird sich beizeiten klären. Wir werden natürlich auch Sie anhören«, sagte er väterlich.
    Laura war nahe daran, dem überheblichen Polizisten ein paar passende Worte an den Kopf zu werfen, aber Sami tauchte an der Tür auf und sagte, er sei soweit. Als sie sich küßten, spürte Laura, daß er Angst hatte. Keiner von beiden wollte loslassen.
    Die Tür fiel ins Schloß, und Laura sank zu Boden und lehnte sich an die Wand. Aus irgendeinem Grund konnte sie nur noch eins denken: Sie hatte gerade ihren Mann verloren.
    4
    Arto Ratamo hing über der Reling des Bootes und zerrte mit zusammengebissenen Zähnen ein Hanfseil aus dem Meer. Er ächzte und fluchte zischend, Schweiß lief ihm in die Augen, und die wundgescheuerten Handflächen brannten. Rund um die lodernden Flammen des riesigen Mittsommerfeuers glänzte die glatte Meeresoberfläche, die Hitze versengte Ratamos Gesicht. Hundert Meter entfernt am Ufer lärmten und tanzten ein paar Dutzend Menschen im
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