Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
Kugel schlug im Hals des Mannes ein, die nächste traf die Wange und die letzte den Brustkorb. Dann verstummte die Waffe, das Geräusch der Schüsse hing noch in der Luft, und es roch nach Pulver.
    Erik Wrede fluchte. Der zweite Mann in der Sicherheitspolizei setzte den Gehörschutz ab, schob die Schutzbrille auf die Stirn und kontrollierte verärgert seine Dienstwaffe, eine Pistole der Marke Glock-17. Er hatte auf den Kopf des Pappkameraden gezielt, doch von zehn Kugeln trafen nursechs das Ziel. Das war nicht gerade schmeichelhaft für einen Mann, der mindestens einmal in der Woche mit der Pistole trainierte.
    Die Stahltür des unterirdischen Schießstandes im Hauptgebäude der SUPO fiel krachend ins Schloß, und ein kahlköpfiger Gewichthebertyp winkte dem Schützen zu. »Schieß dir nicht ins Bein, Schotte!« rief Risto Ojala, der Chef der Abteilung für Gewaltverbrechen der Kriminalpolizei, seinem alten Studienkollegen zu. Den Spitznamen verdankte Wrede seinem roten Haarschopf und den vielen Sommersprossen im Gesicht.
    Wredes Miene verriet, daß er diesen Namen immer noch nicht mochte, obwohl seit der Zeit auf der Polizeischule schon fast zwanzig Jahre vergangen waren. »Du wolltest doch erst um neun kommen.«
    Die beiden tauschten Neuigkeiten aus, seit ihrem letzten Treffen waren Monate vergangen. Schließlich kam Ojala zur Sache. »Wie ich schon am Telefon gesagt habe, wurde gestern im ›Forum‹, in einem Aufzug, ein Diplomat der deutschen Botschaft in Helsinki, der Gesandte Dietmar Berninger, ermordet. Die Speiseröhre war zerschmettert und das Genick gebrochen.«
    »Gibt es Verdächtige?« fragte Wrede.
    »Nein, aber der Mörder heißt Sami Rossi. Oder zumindest will uns das jemand glauben machen.« Ojala bemerkte erst jetzt, daß der Schotte seinen ewigen Westover auch im Sommer trug.
    Wredes Interesse hielt sich in Grenzen. »Willst du, daß ich kläre, was wir über den Mann wissen?«
    »Ich möchte dir den ganzen Fall übergeben. Da ist irgend etwas faul.«
    »Oder du willst nur zurück zu deiner Mittsommerfeier«, stichelte Wrede ganz entspannt.
    Sein Kollege antwortete nicht. Er wunderte sich über dieVeränderungen in Wredes Verhalten. Zu Zeiten der Polizeischule galt der Schotte als echter Spaßvogel. Nach seinem Einstieg bei der SUPO war er über Jahre ein Nörgler und Pedant der allerschlimmsten Sorte gewesen, doch in der letzten Zeit verhielt sich Wrede wieder ganz locker.
    Ojala berichtete kurz, was sich bei den Untersuchungen am Tatort bisher ergeben hatte. Er lehnte sich an die nackte Betonwand, strich über sein wuchtiges Kinn und schnupperte den Pulvergeruch. »Irgend jemand hat Rossi eine halbe Stunde nach dem Mord bei uns angezeigt. In den Verhören spielt Rossi ziemlich konsequent den Unschuldigen.«
    »Habt ihr im Vorleben oder im Bekanntenkreis von Rossi oder Berninger etwas gefunden?« fragte Wrede und hielt seine Waffe in der Hand wie ein Angler, der das Gewicht seines Fanges abschätzt.
    »Noch nicht, aber Rossis Frau wird gerade verhört, und das BKA sammelt Informationen über Berninger. Ich habe mit dem deutschen Botschafter gesprochen, er wußte jedoch nicht sehr viel über Berningers Privatleben.« Ojalas kräftige Stimme hallte von den nackten Betonwänden des Schießstandes wider.
    Wrede fuhr mit der Hand in seine rote Mähne und kratzte sich am Kopf, sein Gesichtsausdruck wirkte konzentriert. »Und Rossis Denunziant – konntet ihr das Gespräch zurückverfolgen?«
    Ojala nickte. »Eine Telefonzelle draußen in den Neubaugebieten, im Itäkeskus.«
    »Anscheinend hat Rossi spontan einen Raubmord begangen. Solche Leute legen selten in den ersten Verhören ein Geständnis ab. Die Gelegenheit hat sich ergeben, und da wollte der Kerl sie eben nutzen«, sagte Wrede selbstsicher.
    »Nun sei mal nicht voreilig«, bremste Ojala. »Die Geschichte geht ja noch weiter. Die Bilder der Kamera, die Berningers Fahrt im Lift aufgezeichnet hat, wurden in derÜberwachungszentrale des ›Forum‹ gelöscht, und der Wachmann, der am Zentralcomputer Dienst hatte, behauptet, er wisse von der ganzen Sache nichts.«
    »Rossi hat also einen Komplizen. Die Kamera im Aufzug und die Computer im ›Forum‹ müssen untersucht werden«, sagte Wrede wie zu sich selbst. Auf seiner sommersprossigen Stirn tauchten Falten auf.
    Ojala schüttelte den Kopf. »Die Männer müssen Berningers Weg im voraus gekannt und den Aufzug absichtlich als Tatort gewählt haben. Warum zum Teufel wollte jemand Berninger live vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher