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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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Flüche blieben erst auf der Strecke, als sich das Boot der verhinderten Feuerdiebe durch eine enge Wasserstraße zwischen zwei Inseln schlängelte und auf die offene See hinausfuhr.
    Der Motor schluckte Benzin, während das stark alkoholisierte und von dem Zwischenfall erschöpfte Trio stumm Flaschen unterschiedlicher Form und Größe herumgehen ließ. Nur die wie Glühwürmchen leuchtenden Mittsommerfeuer und die Lichter der Ferienhütten unterbrachen das einheitliche Bild der zerklüfteten Ufersilhouette.
    »Ermittler der Sicherheitspolizei beim Diebstahl eines Mittsommerfeuers ertrunken. Die Behörden untersuchen den Fall«, witzelte Väisälä.
    »Lapa, wo sind wir eigentlich?« fragte Himoaalto.
    »Wir werden natürlich … über kurz oder lang in Naantali landen.«
    Ratamo nahm dann und wann einen kräftigen Schluck aus einer Calvados-Flasche und steckte sich ab und zu einen neuen Priem unter die Oberlippe. Er sah aus wie eine Wühlmaus mit Ziegenpeter.
    Die drei hielten zweimal entgegenkommende Boote an, um nach dem Weg zu fragen, hatten die genauen und komplizierten Anweisungen aber spätestens nach der nächsten Biegung wieder vergessen. Manchmal sah die Bootsbesatzung nur noch die dunkle offene See vor sich und änderte den Kurs um hundertachtzig Grad. Nachdem sie eine halbe Stunde ziellos durch die Gegend getuckert waren, zweimal ein Fischernetz aus dem Propeller entfernt und ein Puukko-Messer im Meer verloren hatten, dämmerte ihnen allmählich die Wahrheit.
    Himoaalto wurde es als erstem klar: »Wir sind hier schon mal langgefahren.«
    »Mindestens zweimal«, bestätigte Ratamo. »Dieser Kumpelda hat denselben Baum vorhin auch schon festgehalten«, sagte er und wies auf einen Mann, der sich am Ufer unterhalb einer Sommerhütte übergab. »Alkohol genießt man in der anderen Richtung, die Kehle abwärts!« brüllte Ratamo zur Freude seiner Kumpane hinüber.
    »Diese Klippen und Inseln kann nicht mal der Teufel auseinanderhalten. Man fährt ja hier auch selten im Dunkeln«, klagte Väisälä niedergeschlagen. Beim Aufbruch hatte er noch angegeben, er würde in den Schären sogar eine Gummiente finden.
    Plötzlich richtete sich Lapa auf und spitzte die Ohren, im selben Augenblick hustete der Außenbordmotor zweimal, knurrte wie ein Hund und ging aus. Väisälä zerrte ein dutzendmal vergeblich an der Reißleine und brach dann in schallendes Gelächter aus.
    Ratamo hatte allmählich genug. »Na gut, Lapa. Dann fang mal an zu rudern. Dein Name verpflichtet.« 2
    Der Ruderstil Väisäläs und sein Rhythmus waren meilenweit von jedem olympischen Niveau entfernt. Das Boot durchpflügte das Wasser, fuhr aber nicht geradeaus, sondern weite S-förmige Kurven wie ein schlechter Slalomläufer. Dennoch beschwerte sich niemand, denn das hätte sofort einen Wechsel an den Rudern bedeutet. Ratamos pitschnasse Sachen trockneten nicht, obwohl die Nacht mild war; er fröstelte im Seewind.
    Ein paar Minuten später war am Ufer ein Lichtschein zu sehen, Lapa beschleunigte das Tempo. Der unerschütterliche Optimismus der Betrunkenen kehrte auf der Stelle zurück, das Trio glaubte, nun wären es nur noch ein paar Minuten Fußweg bis nach Naantali, wo Restaurants und Frauen auf sie warteten.
    Sie gingen an Land, vertäuten ihren Kahn am Bootssteg und betraten siegesgewiß den sandigen Hof, wo sie allerdingsfeststellen mußten, daß der Kiosk geschlossen hatte. Weit und breit war keine Menschenseele zu entdecken.
    Das nächste Mißgeschick widerfuhr den dreien, als sie bemerkten, daß keines ihrer Handys eine Netzverbindung bekam. Ratamo hatte nun endgültig die Nase voll. »Hat irgendeiner Münzen?« fragte er verdrossen.
    Die drei Männer suchten eine Weile andächtig in ihren Hosentaschen. Doch die Kollekte erbrachte nur eine Fünf-Cent-Münze und einen Knopf von Himoaaltos Hosenstall.
    Ratamo schnaufte verärgert und zwängte sich in die Telefonzelle. Ohne Geld konnte man nur eine Nummer anrufen. Mit unsicheren Fingern wählte er die Eins, Eins, Zwei. Jetzt mußte er sich zusammenreißen.
    »Notrufzentrale!« Die laute Frauenstimme im Hörer klang so energisch, daß Ratamos in Calvados mariniertes Hirn vollends erstarrte.
    »Das ist eigentlich kein … Notfall … Aber ich bin Polizist … oder, äh, also wir haben uns nämlich auf dem Meer verfahren. Das Benzin ist zu Ende. Ich rufe an, weil wir einen Knopf … also, weil hier keiner Münzen hat … Wäre es irgendwie möglich, daß du uns ein Taxi bestellst?«
    5
    Die
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