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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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an. Er weckte ihn, rief ihm in Erinnerung, daß er lebte. Dann langte er nach der Silberschale und betrachtete den Knochen. Jemand war im Tabernakel gestorben. Oder jemand hatte Blut vergossen und den Knochen an den heiligsten Ort der Blauen Insel gelegt. Ein Ritual der Fey? Hofften sie, auf diese Weise mehr Macht zu erlangen?
    Vielleicht sollte er sich nicht um die Anordnung des Königs kümmern und ein kleines Schiff von der Insel losschicken. In Nye gab es ein kleines Häuflein Rocaanisten, die sich wohl bereit erklären würden, das Land zu verlassen, jetzt, da es unter der Herrschaft der Fey stand. Dort lebten sie schon drei Jahre mit den Fey und konnten wahrscheinlich beurteilen, ob es sich um einen ihrer Tricks handelte – und wahrscheinlich wußten sie auch, wie man damit umging.
    Hinter seinen Augen zog ein Schmerz herauf. Aber sie würden auch Weihwasser nach Nye mitnehmen wollen, sobald sie zurückgekehrt waren. Die Rocaanisten in Nye hatten keine ordentlichen Anführer. Die Auds, die die Gemeinde gegründet hatten, waren schon vor Jahren gestorben, und so hielt man die Andachten dort seit beinahe einem Jahrzehnt ohne Anleitung ab. Die Rocaanisten auf der Blauen Insel hatten selbst beschlossen, sie sich selbst zu überlassen, davon ausgehend, daß es am besten sei, den Rocaanismus auf ihre Insel beschränkt zu lassen. Das Risiko, das der Rocaan mit der Entsendung eines Schiffes auf sich nahm, war größer als der Wert der erwarteten Information. Mit einiger Überlegung konnte er das, was er wissen mußte, auch hier erfahren.
    Das Problem bestand darin, daß keine Seite mit der anderen redete. Er war noch nicht einmal einem Fey begegnet. Er hatte sie lediglich aus der Ferne gesehen, bei der Invasion, als sie unten auf dem Hof gegen sein Volk gekämpft hatten. Die Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte besagten, jeder, der seinen Feind nicht kannte, ist ein Narr. Die Worte predigten Wissen um jeden Preis. Und der Rocaan hatte zugelassen, daß diese Erkenntnis einfach unter den Tisch fallengelassen wurde.
    Die Tür ging auf, und Matthias schob sich wieder herein. Falls das überhaupt möglich war, sah er noch blasser als zuvor aus. Er drehte eine Locke um seinen Zeigefinger – eine Geste, die der Rocaan noch nie bei ihm gesehen hatte. Matthias nickte kurz, als bekenne er sich dazu, den Rocaan in seinen Gedankengängen zu unterbrechen.
    »Es ist noch mehr gefunden worden«, sagte Matthias.
    Dem Rocaan lief ein Schauer über den Rücken. »Blut?« fragte er.
    Matthias nickte. »Und ein ganzes Skelett. In Einzelteilen.«
    Der Rocaan wandte sich ab und starrte ins Feuer. Die Flammen züngelten empor, leckten am Holz und formten eigenartige Gebilde, als hielten sie eine Antwort bereit. »Wofür haltet Ihr das Ganze?« fragte er. »Glaubt Ihr, sie wollen uns verhexen?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Matthias. »Aber falls ja, dann hat es jedenfalls im Palast nicht gewirkt. Ich würde gern überprüfen, ob jemand fehlt, und ich würde auch gern dem König eine Botschaft übermitteln, damit er weiß, daß wir es hier mit dem gleichen Phänomen zu tun haben.«
    Der Rocaan stieß einen tiefen Seufzer aus. Auch wenn er es nicht wollte, mußte er tun, was Matthias wollte. Merkwürdig, daß es soweit gekommen war. Dabei müßte Matthias eigentlich seine Befehle befolgen.
    »Wer hat die Neuigkeiten überbracht?«
    »Porciluna.« Man mußte es Matthias hoch anrechnen, daß er nicht mehr sagte. Aber der Rocaan sah ihm an, daß es ihn zum Handeln drängte.
    Der Rocaan entließ ihn mit einer Handbewegung. »Haltet Eure Versammlung ab. Schickt jemanden zum Palast. Teilt dem König mit, daß ich ihn sehen möchte. Sagt ihm …« – daß der Rocaan müde ist. Daß er möchte, daß dieser Krieg endlich ein Ende findet – »… daß ich ihm die Wahl von Ort und Zeit überlasse.«
    Matthias hörte auf, sich die Haarsträhne um den Finger zu wickeln. »Wie Ihr wünscht«, sagte er und entfernte sich. Seine Angst war stärker als seine Argumente.
    Der Rocaan schaute ihm nach und konnte sich auch dabei dieses Gefühls von Verderben und Untergang nicht erwehren.

 
4
     
     
    Fledderer band sich den letzten vollen Beutel an die Hüfte, legte eine Hand auf den Rücken und erhob sich. Die Luft roch nach verwesendem Fleisch und aufgeblähten Leichen, ein Geruch, der ihm allmählich zuwider wurde. Der Schweiß rann ihm an einer Seite des Gesichts herab, obwohl es sich im kühlen Schatten der Bäume befand. Über ihm zwitscherte ein
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