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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Vogel. Als er aufsah, hörte das Zwitschern sofort auf, als hätte er das Tier allein mit seinem Blick zum Verstummen gebracht.
    Er arbeitete schon seit der Morgendämmerung des vorangegangenen Tages, zusammen mit fünf anderen Rotkappen, von denen Rugar behauptete, er könne sie entbehren. Wovon er sie entbehren konnte, darauf wußte er keine Antwort. Es war nicht so, daß an anderen Orten Schlachten geschlagen würden und dort dringend Rotkappen zum Sammeln von Blut und Gewebe erforderlich gewesen wären. Aber er hütete sich, Rugar danach zu fragen. Die Frage einer Rotkappe beantwortete ohnehin niemand.
    Trotzdem waren sie knapp an Arbeitskräften. Für diese Plackerei hätte man mindestens zehn Rotkappen benötigt, und die hätten noch alle Hände voll zu tun gehabt. Er schob die letzten Fleischfetzen in den Beutel auf seiner linken Seite, wo er die nicht mehr ganz so gute Ausbeute sammelte. Caseo würde angesichts der Verschwendung toben. Fledderer würde ihm sagen, Rugar sei daran schuld.
    Als wenn das etwas brächte.
    Seine Hände rochen so übel wie die ganze Lichtung. Er wischte sich den Schweiß von Braue und Handgelenk. Niemand zollte seiner Arbeit Anerkennung. Mit Ausnahme der anderen Rotkappen wußte niemand, wie gefährlich sie wirklich war. Jemanden auf diese Art zu zerlegen war schon mitten in der Schlacht tödlich – nicht alle Rotkappen verwendeten die Reste der Fußsoldaten –, aber nicht halb so gefährlich wie hier, auf der friedlichen Lichtung. Jedesmal, wenn er einen toten Körper berührte, befürchtete er, etwas vom Gift der Inselbewohner abzubekommen, befürchtete, sein eigener Körper würde schmelzen und ihn verlassen, und daß er ersticken müsse, weil ihm keine Möglichkeit zu atmen mehr blieb. Er träumte schon davon. Dann wachte er jedesmal keuchend und nach Luft schnappend auf. Wenn er nur wüßte, wie er sich von diesem vermaledeiten Ort davonstehlen könnte, er würde es tun. Aber er wußte nicht, wie.
    Er war selbst daran schuld, daß er hier draußen war. Er hatte den Fehler begangen, Tazy, dem Anführer der Fußsoldaten, zu erzählen, er würde alles tun, um die Düsternis der Schattenlande zu verlassen. Sie drang ebenfalls bis in seine Träume ein. In Nye hatte er früher immer in Farbe geträumt. Jetzt war alles grau in grau, manchmal etwas heller, manchmal etwas dunkler, aber immer grau.
    Er mußte fliehen. Wenn sie ihn noch länger dortbehielten, drehte er noch durch.
    »Na, hast du’s bald geschafft?« Die Stimme ertönte direkt hinter seinem Ohr. Er blickte auf und sah Klaue hinter sich stehen. Klaue war sogar noch kleiner als er und wog doppelt soviel. Sie hatten zusammen die Schule besucht, und Fledderer erinnerte sich noch immer an den Tag, an dem der Lehrer sie als einzige der nachpubertierenden Jungs in der Klasse zur Seite genommen und ihnen gesagt hatte, sie könnten ebensogut zu Hause bleiben, da die Magie ohnehin nicht über sie komme.
    Fledderer schüttelte den Kopf. Alle seine Glieder schmerzten. »Es ist viel zuviel Arbeit für uns alle.«
    »Es ist sowieso schon fast verfault«, sagte Klaue. »Verdorbenes Fleisch bringt nicht allzuviel.«
    »Vielleicht machen die Domestiken noch was daraus.«
    Klaue kräuselte die Nase. »Die kommen an so eine Leiche nicht mal ran. Außerdem hat die Schamanin keine Pfleger mitgebracht.«
    »Das stimmt. Hab’ ich ganz vergessen.« Das Vergessen war zu einer Methode der Selbstverteidigung geworden. Die Rotkappen mußten die Überreste jetzt selbst wegschaffen. Er streckte sich. Die Blutbeutel hingen schwer an seinem Gürtel. »Weißt du, was mich beunruhigt?«
    Klaue knotete einen Beutel an seinem Gürtel fest. »Was denn?«
    »Keine Inselbewohner. Weißt du noch, wie sie bei der Zweiten Schlacht um Jahn die Toten von uns wegzogen? Und dann das Gefecht am Cardidas-Hafen, wo sie uns töten wollten, als wir uns über die Leichen beugen wollten?«
    Klaue blickte auf und sah ihn mit seinem blutverkrusteten Gesicht verdutzt an. »Dabei lagen sie schon zwei Tage dort.«
    »Genau.«
    Klaue erschauerte. »Und wenn auf diesen Leichen dort Gift war? Vielleicht eine andere Sorte? Wir werden ganz langsam sterben …«
    »Vielleicht«, erwiderte Fledderer. »Aber ich glaube nicht daran. Wenn sie uns sterben lassen wollten, hätten sie dafür nicht andere umgebracht. Da geht etwas anderes vor sich.«
    »Das ergibt doch keinen Sinn«, grübelte Klaue.
    Fledderer warf einen Blick zu dem Erdring hinüber. Er wußte, an welcher Stelle die
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