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Fey 02: Das Schattenportal

Fey 02: Das Schattenportal

Titel: Fey 02: Das Schattenportal
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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fragte der Rocaan, wobei er nicht sicher war, ob er die Antwort wissen wollte.
    Matthias schüttelte den Kopf. »Das habe ich mich auch gefragt. Am meisten Kopfzerbrechen hat mir das Blut bereitet. Bei der Invasion wurden auch innerhalb des Palastes und in seiner Umgebung Blut und Knochen gefunden, ebenso in den Unterkünften der Wachmannschaften. Es hat etwas mit den Fey zu tun.«
    Der Rocaan ballte die Finger zur Faust. »Sie lassen uns nichts. Haben sie denn kein Verständnis für so etwas wie Frömmigkeit?« Er schloß die Augen, lehnte sich zurück und wünschte, das alles fände ein Ende. Sie hatten ihm so viel genommen. Der einzige Ort, an dem er jetzt noch seine Andacht verrichten konnte, war dieses kleine Gemach, von dem aus er die Fey zum ersten Mal gesehen hatte.
    »Ich glaube, das spielt bei ihnen keine Rolle«, sagte Matthias.
    Der Rocaan öffnete die Augen. Er saß Matthias nicht gern gegenüber. Matthias war groß und schlank, wie die Fey. Er war auf die Idee gekommen, Weihwasser als Waffe einzusetzen. Er hatte nie an Gott oder den Roca geglaubt, hatte schon immer die Geschriebenen und die Ungeschriebenen Worte so verdreht, wie er sie gerade brauchte.
    Matthias hätte das Geheimnis des Weihwassers niemals erfahren dürfen. Jetzt mußte sich der Rocaan, bevor er starb, gezwungenermaßen und eindeutig für einen Nachfolger entscheiden. Andre war eine Möglichkeit. Er besaß den Glauben. Aber Andre wußte nichts von der Welt. Das war das Problem mit den Gläubigen: Sie weigerten sich, das Hier und Jetzt wahrzunehmen.
    Er schluckte und legte den Knochen neben sich in die silberne Schale auf dem Tisch. Ein leises Klappern ertönte, als er mit der Schale in Berührung kam, und Matthias zuckte zusammen. Noch nie zuvor hatte dieser Mann soviel Empfindsamkeit gezeigt.
    Dem Rocaan gefiel das ganz und gar nicht.
    Er nickte Matthias würdig zu, doch der schien nicht zu verstehen, daß er mit dieser Geste entlassen war.
    »Ich werde über all das nachdenken«, sagte der Rocaan.
    »Worüber?« wollte Matthias wissen. »Wir wissen nichts weiter, als daß in der Sakristei möglicherweise etwas nicht stimmt. Wir wissen nicht einmal, worum es sich dabei handeln könnte.«
    »Sollte mir etwas Ungewöhnliches zu Ohren kommen …«
    »Wollt Ihr damit sagen, daß jetzt Blutlachen schon etwas Gewöhnliches sind? Ich habe Andre bereits beauftragt, eine Versammlung aller Bewohner des Tabernakels einzuberufen. Sollte jemand fehlen, dann wissen wir, was geschehen ist.«
    Dem Rocaan mißfiel Matthias’ Ton. Was auch immer aus ihrem Verhältnis geworden war – dieser Sarkasmus gehörte nicht dazu. »Ihr hättet nicht ohne mich handeln sollen«, sagte er.
    »Und weshalb nicht?« erwiderte Matthias. »Jeder der Ältesten ist berechtigt, an Eurer Statt zu handeln. Wir verwalten den Tabernakel.«
    »Ja, aber ich leite ihn.« Der Rocaan sprach die Worte sanft aus. Er wollte, daß Matthias den Unterton vernahm, daß er begriff, daß nicht immer alles nach Plan funktionierte.
    Matthias lehnte sich zurück und schürzte die Lippen. Offensichtlich hatte er verstanden. »Nun denn, Heiliger Herr«, sagte er nach einer kurzen Pause, »in diesem Falle werde ich die Anweisung widerrufen.«
    »Tut das«, sagte der Rocaan. Er schloß die Augen, wollte nichts mehr sehen und nichts mehr denken. Er wollte vom Feuer gewärmt werden und sehnte ein Ende dieser sorgenvollen Tage herbei.
    Der Stuhl knarrte, als sich Matthias erhob. Dann klopfte jemand an die Tür. Der Rocaan seufzte und öffnete die Augen. Matthias stand mit vor dem Bauch gefalteten Händen vor dem Stuhl und blickte mit sehnsüchtigem Ausdruck zur Tür, wie ein kleiner Junge, der etwas Verbotenes beobachtet.
    »Seht mal nach«, sagte der Rocaan ohne weitere Floskeln. »Ich bin nicht zu sprechen, es sei denn, es ist ein Notfall.«
    Matthias nickte, ohne den Rocaan recht anzublicken. Der Rocaan verdrehte die Augen. Seine Einschätzung war falsch gewesen. Matthias war nicht neugierig. Er schien Angst zu haben. Jetzt spürte auch der Rocaan, wie ihm ein ängstlicher Schauer über den Rücken herunterlief. Er hatte Matthias zwar schon erschrocken, aber noch nie verängstigt gesehen. Was konnte ihm wohl einen solchen Schrecken einjagen?
    Matthias ging zur Tür, öffnete sie und schob sich nach draußen, damit der Anklopfer den Rocaan in seinem hohen Lehnstuhl nicht sehen konnte. Der Rocaan legte Daumen und Zeigefinger auf den Nasenrücken und kniff sich heftig. Der Schmerz fühlte sich gut
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