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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Vorwort.
    Während rings in Europa Throne zu versinken drohten, erhob sich hoch im Norden an den Ufern der Newa einer zu ungeahnter Größe, zu unermeßlicher Pracht, und eine Frau, eine Deutsche, führte mit geschickter Hand die Staatszügel des mächtigen Zarenreichs. Stolz legte sich ihr der Purpur um die weißen Schultern, der seit Generationen durch Ströme von Blut gefärbt zu sein schien.
    Mehr als ein Jahrhundert ist verflossen, seitdem sich das Grab Katharinas II., der »nordischen Semiramis«, geschlossen, doch weder Zeit noch Ereignisse haben das Interesse verwischen können, das ganz Europa an dieser bewunderungswürdigen, außergewöhnlichen Frau mit dem Doppelwesen von Mann und Weib genommen. Ja, mit der Zahl der Schriften über sie stieg auch die Bewunderung für ihre selbsterworbene Größe. Denn nichts hatte sie ererbt, sondern ganz aus eigener Kraft ist sie zu jener Höhe gelangt, von der sie vierunddreißig Jahre lang auf ihr Volk, ihre Russen, herabblickte.
    Vor ihr, seit dem Zerreißen der Traditionen, seit der vollkommenen Trennung des Volkes vom Staate, dieses armen, halbwilden russischen Volkes, das sich ängstlich und scheu in seinen elenden Dörfern verbarg, seit der Reform Peters I., waren Staatsstreiche und Palastrevolutionen an der Tagesordnung gewesen, und nach ihrem Tode schien es, als sollte es wieder so werden. Welch seltsame Epoche! Abends vor dem Schlafengehen wußten die Einwohner von St. Petersburg nicht, unter wessen Regierung sie am nächsten Morgen erwachen würden. Allerdings kümmerte dies die Bevölkerung wenig, oder gar nicht; das Drama spielte sich nur in den engeren Hofkreisen ab, und allein die Staatsbeamten hatten bei einer solchen Thronumwälzung für ihr Wohl und Wehe zu hoffen, oder zu fürchten. Das Volk, der Pöbel, jauchzte, wenn es ihm befohlen wurde, dem neuen Herrscher zu und spie dem alten ins Gesicht, den es noch am vorhergehenden Tage »Väterchen« genannt, für den es in seinen Kirchen den Segen des Himmels erfleht hatte. Was war das russische Volk? Nichts als eine große, leicht lenkbare, in tiefster Unwissenheit verharrende Menschenmasse, die zum ersten Male im Jahre 1812 aus ihrer fast tierischen Niedrigkeit erwachte, um sich einem Feinde, der das Land zu verwüsten drohte, entgegenzuwerfen.
    Seit dieser Zeit aber haben Ereignisse, Kultur und Intelligenz das russische Volk erstarken lassen und aufgeklärt. Der Moment, wo es mit energischem Willen auch noch die letzten Spuren einer harten, langen Knechtschaft abschütteln wird, ist nicht mehr fern. Das ganze große russische Reich ist in seinen Grundfesten erschüttert, es bedarf nur eines letzten kräftigen Stoßes, um es völlig zu stürzen. Dann wird auf seinen Trümmern ein neues erstehen, wo die Sonne der Freiheit dem russischen Volke zum ersten Male leuchtet.
    Und während unsere Nachbarn diesen Kampf um ihre Freiheit kämpfen, wird es von nicht geringem Interesse sein, das Leben an einem russischen Kaiserhofe vor mehr als hundert Jahren zu verfolgen, das freilich in unserer Zeit einen wesentlich andern Aspekt hat.
    Die Memoiren der Kaiserin Katharina II., eins der interessantesten Dokumente, die wir über die russische Geschichte besitzen, wurden ihrem Sohne, dem Kaiser Paul I., einige Stunden nach dem Tode seiner Mutter in einem versiegelten Kuvert überreicht. Dieses Kuvert enthielt auch einen Brief Alexis Orloffs, des Hauptbeteiligten an der Thronbesteigung Katharinas, in welchem er der neuen Kaiserin mit zynischen Worten, trunken vom Wein, die Ermordung ihres Gemahls, Peters III., meldete. Paul I. sprach zu keinem Menschen von dem Manuskript seiner Mutter, außer zu seinem intimen Freund, dem Fürsten Alexander Kurakin, der heimlicherweise eine Abschrift davon nahm. Später, zwanzig Jahre nach dem Tode Kaiser Pauls, verschafften sich auch Alexander Turgenjeff und Fürst Michael Woronzow Abschriften von dem Exemplar Kurakins. Unter der Regierung des Zaren Nikolaus indes wurden alle vorhandenen Abschriften polizeilich eingezogen, worunter sich auch eine von der Hand des berühmten russischen Dichters Puschkin befand. Das Original selbst ließ Nikolaus, nachdem er es gelesen, mit dem großen Staatssiegel versehen und in den kaiserlichen Archiven sorgfältig verwahren.
    Alexander Herzen, der diese Memoiren herausgegeben, berichtet, daß er zum ersten Male von den Aufzeichnungen Katharinas durch den Lehrer Alexanders II., Konstantin Arsenjeff, erfahren habe, der 1840 die Erlaubnis erhalten hatte,
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