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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: Vonda N. McIntyre
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wütend. „Diese Welt gibt meinen Leuten nichts, und deshalb sterben wir.“
    „Nun komm“, sagte Häher nachsichtig.
    „Ja, wir sterben!“ Dark blieb stehen und kippte auf der Kante ihres Panzers zurück, damit sie ihm besser in die Augen sehen konnte. „Ihr habt all diese Schönheit, um euch herum und an euch selbst, und wenn die Menschen euch sehen, bewundern sie euch. Aber vor uns haben sie Angst! Vielleicht haben sie vergessen, daß wir auch als Menschen angefangen haben, vielleicht haben sie auch überhaupt nie etwas Menschliches in uns gesehen. Gleichgültig. Ich schere mich nicht darum! Aber wir können gar nichts sein, wenn wir keinen Zweck erfüllen. Alles, was wir wollen, ist, daß ihr uns dabei helft, uns Gehör zu verschaffen, denn auf euch werden sie hören. Sie lieben euch. Sie beten euch beinahe an!“ Sie brach ab, überrascht von ihrem eigenen Ausbruch.
    „Sie beten uns an!“ sagte Häher. „Sie schießen uns vom Himmel wie die Adler!“
    Er wandte seinen Blick von ihr ab und richtete ihn forschend auf die Wolken, den Stand der Sonne, und es hätte sie nicht überrascht, wenn er auch die Wellen des Windes gesehen hätte. Dark glaubte etwas zu fühlen, einen Ruf, einen Schrei, ganz am Rande eines ihrer neuen Sinnesorgane. Sie versuchte, es zu erfassen, aber es entzog sich ihr. Es war nicht für sie bestimmt.
    „Erwarte mich bei Sonnenuntergang“, sagte Häher, und seine Stimme klang wie aus der Ferne. Er breitete seine großen, zusammengefalteten Flügel aus und sprang in die Höhe; in seinen kurzen, kräftigen Beinen ballten sich die Muskeln. Dark sah zu, wie er in den Himmel schwebte, eine anmutige, dunkelblaue Gestalt gegen die wolkendurchzogene, rotgoldene Morgendämmerung.
    Dark wußte, daß sie ihn nicht überzeugt hatte. Als er nur mehr ein Punkt war, ließ sie sich wieder zu Boden sinken und begann schwerfällig, an der Flanke des Vulkans hinaufzuklettern. Sie konnte ihn unter ihren Füßen spüren. Sein langanhaltendes Rumoren durchpulste sie in einer Frequenz, die weit niedriger lag als alles, was sie als Mensch hätte hören können. Es versprach Hitze und Gefahr; es erregte sie. Sie hatte seit zu vielen Monaten keine extremen Bedingungen mehr erlebt, weder Hitze noch Kälte, weder Druck noch Vakuum.
    Der Boden unter Darks Klauen fühlte sich hohl an: Gänge lagen dort unter ihr, und Lava, von der Gewalt ihrer Entstehung zu Schaum geschlagen und beim Herausdringen zu schwammigem Gestein erstarrt. Sie fand einen Spalt, wo sie beim Hindurchschlüpfen keine Spur hinterlassen würde, und glitt hinein. Sie begann zu graben, erst langsam und dann immer schneller. Erde und pulverisierendes Gestein flog über ihre Schultern. Im nächsten Augenblick schloß sich die Erde um sie herum.
     
    Dark hielt an, um sich auszuruhen. Jetzt, da sie die vom Gas gebildeten Tunnel erreicht hatte, brauchte sie sich nicht mehr durch die Substanz des Berges zu graben. Entspannt lag sie in dem gewundenen Gang und genoß die strahlende Hitze und die gelegentlichen, leuchtenden Luftfontänen, die aus dem Magma zu ihr kamen. Sie konnte die Gase mit ihrem Geschmackssinn analysieren; das war auch ein Talent, das die Menschen ihr gegeben hatten. Dämpfe, die für Menschen giftig waren, bedeuteten für sie nichts als ein interessantes Aroma. Falls nötig, konnte sie einige Gase auch umsetzen; diese Fähigkeit würde an vielen der Orte, die sie zu sehen gehofft hatte, notwendig sein, nämlich dort, wo das Sonnenlicht zu trübe war, als daß man es umwandeln könnte, wo jedes Leben verschwunden oder niemals entstanden war und wo es keine organischen Chemikalien gab. Auf den äußeren Planeten, auf den Asteroiden, sogar auf dem Mars wäre ihre Energie aus der dünnen Atmosphäre gekommen, aus dem Eis, sogar aus dem Staub. Die herausfordernden Extrembedingungen dort draußen würden Kälte und Leere sein, wenn sie nicht heiße, lebendige Adern auf sterbenden Planeten entdeckte. Jetzt würde vielleicht niemand jemals nach solchen Aktivitäten auf der Oberfläche fremder Welten suchen. Dark hatte von den Planeten eines anderen Sterns geträumt, aber vielleicht würde sie nicht einmal die Chance bekommen, den Mond zu sehen.
    Dark suchte eine lebendige Ader in einer lebendigen Welt: Sie bewegte sich auf den Kern des Vulkans zu. Ihr Volk war dazu geschaffen worden, sehr viel härtere Bedingungen zu ertragen als den schmalen Bereich, den ein Normaler aushalten konnte, aber sie wußte nicht, ob sie eine derart hohe
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