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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Temperatur überstehen konnte. Es war ihr auch gleichgültig. Die wachsende Hitze brachte sie in einen Zustand erhöhten Bewußtseins, in dem Vorsicht und sogar Angst völlig beiseite geschoben waren. Die Felswände glühten in ihrer Infrarotsicht, und als sie anfing, sie aufzugraben, flogen die Splitter wie Funken. Schließlich, als zwischen ihr und dem Vulkantrichter nur noch eine dünne Gesteinsschicht stand, zögerte sie. Sie hatte keine Angst um ihr Leben. Es war fast, als hätte sie Angst, sie würde überleben, Angst, der Vulkan könnte sie, wie alles andere, am Ende enttäuschen.
    Sie schlug mit ihrer gepanzerten Hand zu und zerschmetterte die zerbrechliche Wand. Rauch und Dampf ergossen sich durch die Öffnung und strömten an ihr vorbei. Bevor sie ihre normale Atmung stoppte, riskierte sie noch schnell einen flachen Zug davon; sie genoß den Geschmack und den Geruch, und dann schob sie sich vor, um direkt in den Krater zu sehen.
    Was immer sie sich vorgestellt hatte, es löste sich jetzt in der Wirklichkeit auf. Sie befand sich auf halber Höhe des Kraters; von oben blendete sie das Sonnenlicht und von unten die Hitze. Sie war lange unter der Erde gewesen, und jetzt war es beinahe Mittag. Die Sonne stach durch Wolken von Dampf herab, und aus der Tiefe drangen Gase und Geräusche von geschmolzenem Felsgestein zu ihr herauf. Wirbelnd strömten sie nach oben, heiß und immer heißer, und in der Wunde der Erde brannte eine Flut von Feuer.
    Sie konnte die Hitze fühlen und auch sehen, und die Tatsache, daß sie sterben würde, wenn sie blieb, wo sie war, erfüllte sie mit intensiver Freude. Sie atmete jetzt ihren eigenen Sauerstoff – nur ein paar Züge von den ungekühlten Ausdünstungen des Berges, und sie würde sterben.
    Sie wollte bleiben. Sie wollte nicht an die Oberfläche zurückkehren und sich der Möglichkeit einer Zurückweisung aussetzen. Sie wollte nicht in das Exil ihres Volkes zurückkehren.
    Aber sie hatte eine Verpflichtung übernommen, die sie noch nicht erfüllt hatte. Sie wich in den Tunnel zurück, drehte um und kroch davon, in der Hoffnung, sie könnte eines Tages zurückkehren.
    Dark kam durch denselben Spalt wieder an die Erdoberfläche, um das Land nicht zu verändern. Sie schüttelte die Erde von ihrem Panzer und sah sich um; blinzelnd wartete sie darauf, daß ihre Augen sich wieder an das Tageslicht gewöhnten. Während sie sich ausruhte, begann sich der wirre Nachglanz des Infrarotbildes wieder in Farben aufzulösen: zuerst der blaue Himmel, dann die tief-grünen Bäume und das Gelb eines Fleckens wilder Blumen. Schließlich konnte sie mit zusammengekniffenen Augen dunkle Punkte im kristallklaren Himmel ausmachen. Die Flieger schwebten in kleinen Gruppen oder allein dahin, hin und wieder kamen zwei zu länger andauernden, graziösen Paarungen zusammen, und ihre Flügelspitzen streiften sich. Sie beobachtete sie, überrascht und ein wenig beschämt, weil es sie gegen ihren Willen erregte. Bei ihrer eigenen Art war der Geschlechtsverkehr schwieriger und eher etwas für Fußgänger. Dark hatte gewußt, wie es sein würde, als sie sich meldete; es gab keine Geheimnisse dabei. Wie die meisten Freiwilligen war sie immer eine Einzelgängerin gewesen. Sie vermißte nur selten, was sie nur so selten gehabt hatte, aber als sie die Flieger beobachtete, empfand sie plötzlich tiefen Neid. Sie waren so schön, und sie nahmen alles so selbstverständlich hin.
    Der geflügelte Tanz hielt noch stundenlang an, bis die Sonne sich schließlich rötete und die Berge im Westen berührte. Dark sah weiter zu, sie war nicht fähig wegzusehen und voller ehrfürchtiger Bewunderung für die fliegerische und die sexuelle Ausdauer der Flieger. Aber zugleich mißfielen ihr ihre ausgedehnten Spiele; sie hatten vergessen, daß ein erdgebundenes Geschöpf auf sie wartete.
    Ganz unvermittelt trennten sich die Paare der miteinander vereinigten Flieger, und die ganze Gruppe zerstreute sich. Einen Augenblick später verspürte Dark das Herannahen eines Flugzeuges der Menschen.
    Es war zu hoch, als daß sie es hätte hören können, aber sie wußte, daß es da war. Langsam drehte es seine Kreise. Dark saß ganz still; sie bemühte sich nicht mehr, den Funkstrahl aus ihrem Rückgrat zu verbergen. Sie fühlte, wie das Flugzeug herankam, in Spiralen, deren Mittelpunkt sie selbst war. Es senkte sich immer tiefer; erst war es ein Punkt, dann eine silberne Form, die die rote Abendsonne widerspiegelte. Es kam nicht zu nah
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