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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt
Autoren: Brigitte Riebe
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von Venedig direkt unterstellt – dem Mann, der die wichtigsten Entscheidungen traf, auch wenn offiziell der Doge an der Spitze des Großen Rats die Staatsgeschäfte führte. Alles, was jenen Mann betraf, schien wie in Nebel gehüllt, glich der Lagune an trüben Herbsttagen. Wenigen war es vergönnt, persönlich zu ihm vorzudringen, und vielleicht hielt sich deshalb hartnäckig die Legende, er sei schon seit Jahren nicht mehr am Leben.
    »Ich wurde aufgehalten, Admiral«, sagte er. »An Tagen wie heute strapazieren die Wasserleute unsere Geduld noch mehr als gewöhnlich.«
    Der Weißhaarige blieb weiter konzentriert über seine Konstruktionszeichnungen gebeugt.
    »Läuft alles nach Plan, werden sie bald wissen, wo sie hingehören. Feuer ist seit je das beste aller Argumente. Es wird ihnen zeigen, wer in dieser Stadt das Sagen hat!« Sorgfältig faltete er das oberste Pergament zusammen. »Baumeister Fioretto soll morgen nach der Frühmesse vorsprechen. Seine Pläne für den Umbau der Seilerei müssten jetzt endlich so weit sein.«
    Marco nickte und spürte, wie er am ganzen Körper zu schwitzen begann, was nicht nur an der Frühlingssonne lag, die auf die dicken rötlichen Mauern herabbrannte. Seine Aufgaben waren vielfältig und zum Teil denkbar ungewöhnlich. Anfangs hatte ihn das verwirrt, und er hatte den Versuch gewagt, sich Notizen zu machen, um ja nichts zu vergessen. Doch als der Admiral das entdeckt hatte, wäre es beinahe zum Bruch gekommen.
    »Keinerlei Aufzeichnungen. Keine Zeugen. Alles, was innerhalb dieser Mauern geschieht, obliegt absoluter Geheimhaltung. Wer das nicht begreift, hat hier nichts verloren!«
    Inzwischen wusste Marco, worauf es ankam. Es gab sogar Momente, da war er sich fast sicher, ein Stück seiner Achtung ergattert zu haben – beileibe nicht sein Vertrauen, denn der mächtige alte Mann vertraute nur sich selbst. Doch dann, von einem Lidschlag auf den anderen, konnte alles wieder ganz anders sein.
    »Wie steht es um die Arbeiten in Halle sieben?«, lautete die nächste Frage.
    »Keine weiteren Vorfälle«, erwiderte Marco scheinbar ungerührt, obwohl er es gewesen war, der den betroffenen Familien die traurige Nachricht hatte überbringen müssen. Ein Seil, an dem Fässer mit heißem Pech hingen, war plötzlich gerissen, zwei Männer von der glühenden Ladung übergossen worden – und daran gestorben. Einen halben Tag war es zu einer regelrechten Revolte unter den Arsenalotti gekommen, wie sich die Männer, die in der riesigen Staatswerft beschäftigt waren, voller Stolz nannten. Doch dann war wieder Ruhe eingekehrt. Wer wollte schon riskieren, einen der begehrtesten Arbeitsplätze Venedigs aufs Spiel zu setzen?
    »Die Witwen sollen beim Patron vorsprechen«, sagte der Admiral. »Zügig. Damit kein Gerede aufkommt. Sobald ihre Söhne alt genug sind, können sie den Platz der Verstorbenen einnehmen.«
    »Wird erledigt.«
    »Weiß man inzwischen, wer das Unglück verschuldet hat?«
    Natürlich hatte Marco bereits Nachforschungen in Gang gesetzt, doch die Arbeiter in der Seilerei hielten fest zusammen und ließen nichts nach draußen dringen.
    »Ich bleibe dran«, sagte er. »Einer redet immer.«
    »Zeit ist das Einzige, was wir nicht haben.«
    Von Sonnenaufgang zu Sonnenaufgang konnte im Arsenal eine komplette Galeere fertig gebaut werden – eine schier unvorstellbare Leistung, die Marco nicht für möglich gehalten hätte, wäre er nicht selbst dabei gewesen. Noch heute erinnerte er sich an das Geräusch, mit dem der Bug ins Wasser klatschte, an das Rufen der Arsenalotti, an das Rot der Sonne, die als leuchtender Ball aus der Lagune gestiegen war. Ganz Europa beneidete die Lagunenstadt um diese außergewöhnliche Leistung. Voraussetzung dafür war allerdings, dass keiner der komplizierten Abläufe unterbrochen oder gestört wurde.
    Würde nun der Satz folgen, den Marco in seinen Albträumen schon seit Wochen hörte?
    Du lässt nach, Bellino. Einen wie dich kann ich hier nicht gebrauchen, und du weißt, was das zu bedeuten hat …
    »Wie machen sich die Neuen?«, fragte der Admiral stattdessen.
    »Ganz ordentlich«, erwiderte Marco erleichtert, aber dennoch mit gebotener Vorsicht, denn wenn er mit seiner Einschätzung danebenlag, würde er das zu büßen haben.
    »Am Ende des Monats wird sich entscheiden, ob sie bleiben können.«
    Marco nickte abermals. »Die Liste der Anwärter ist endlos. Im Bedarfsfall können sie von heute auf morgen ausgetauscht werden.«
    »Hör auf, mich mit
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