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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt
Autoren: Brigitte Riebe
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wenn die Handelsflotte aus Konstantinopel in Venedig einlief, doch so schlimm wie heute war es noch nie gewesen. Aber wie konnte ihre Mutter ihr auch ins Gesicht sagen, dass sie ihren Mann nun endgültig und offiziell für tot erklären lassen wollte?
    Kalkweiß war Savinia geworden, als habe der Zorn jegliche Farbe aus ihrem Gesicht gewischt, während ihr Kinn angriffslustig nach vorn schnellte.
    »Ich hab es endgültig satt, verstehst du? All dieses Warten und Bangen, dieses zermürbende Hoffen! Fünf Jahre ist es nun her, seit er uns verlassen hat. Kein Wort seitdem, kein Brief – gar nichts!«
    Und jetzt, genau in diesem Moment, hätte Milla endlich ihr Geheimnis offenbaren müssen. Aber sie hatte sich doch verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren!
    »Papa ist kein Verräter, auch wenn die Leute es behaupten«, sagte sie stattdessen. »Als seine Frau dürftest du so etwas nicht einmal denken!«
    »Ach, nein? Seit seinem Verschwinden sind neun Handelsflotten nach Venedig zurückgekehrt. Und war dein heiß geliebter Vater vielleicht auf einem einzigen dieser Schiffe?«
    Savinia hatte den Nudelteig gepackt, um ihn auf den Tisch zu klatschen, als sei er der heimliche Übeltäter. Dem Resultat allerdings würde es kaum schaden. Alles, was durch ihre Hände ging, schmeckte, das wussten nicht nur die Marktleute zu schätzen, die scharenweise ins ippocampo einfielen. Inzwischen strömten auch immer mehr Gäste aus anderen Stadtteilen herbei. Dank Tante Ysas Unterstützung hatten Mutter und Tochter in der kleinen Taverne nahe der Rialtobrücke ihr Auskommen gefunden.
    Warum also wollte Savinia ausgerechnet jetzt wahrmachen, was sie bislang nur angedroht hatte?
    Milla ahnte den Grund, und das machte sie nur noch wütender.
    Es musste an diesem Salvatore liegen, der ihrer Mutter beharrlich nachstieg – inzwischen verstrich kein Tag mehr, an dem er nicht bei ihnen aufgetaucht wäre. Kaum schob sich sein Glatzkopf in den niedrigen Raum, schien alles dunkler zu werden. Er redete viel, unterstrich seine Worte mit ausladenden Gesten und schien sich nicht darum zu scheren, dass sich Millas Gesicht bei seinem Anblick augenblicklich verschloss wie eine Auster.
    Savinia hingegen errötete dann immer, warf den Kopf mit dem weizenblonden Zopf in den Nacken und wiegte sich in den Hüften, als sei sie ein junges Mädchen. Was fand sie nur an diesem Widerling, wo sie doch schließlich immer noch mit Leandro verheiratet war, dem besten Glasbläser von Murano, dem wunderbarsten Vater der ganzen Welt?
    Wie sehr Milla ihn vermisste!
    Noch immer stand ihr sein Bild so lebendig vor Augen, als sei er niemals fort gewesen: die stets verstrubbelten rötlichen Locken, denen er seinen Spitznamen »Feuerkopf« verdankte, die blitzenden Augen, und natürlich seine geschickten Hände, die aus rauem Quarzsand fragilste Kostbarkeiten zu formen vermochten. Savinia behauptete, er habe sich heimlich aus dem Staub gemacht, um in der Ferne sein Glück zu suchen und darüber seine Familie vergessen.
    Aber Milla wusste es besser: Schließlich gab es einen Beweis dafür, den sie als ihren kostbarsten Schatz hütete. Doch was konnte seitdem nicht alles geschehen sein?
    Vielleicht lag er ja längst mit einem Messer zwischen den Rippen am Meeresgrund, weil er Murano ohne Erlaubnis verlassen hatte, was für einen seiner Zunft tödlich sein konnte.
    Der heftige Schmerz, der sie bei dieser Vorstellung durchfuhr, zwang Milla zum Innehalten. Sie stellte den Fuß auf die kleine Holzbrücke und beugte sich vornüber. Zunächst verschwamm alles vor ihren Augen, allmählich jedoch kehrten die klaren Umrisse zurück, und auch das Herzrasen ließ nach.
    Nach einer Weile hob sie vorsichtig den Kopf und sah eine Gondel, die sich lautlos genähert haben musste. Lichtblau gestrichen war sie und am Bug mit einer eisernen Rosette geschmückt. Daneben thronte eine Katze, statuengleich, die Vorderpfoten dicht nebeneinander. Ein paar Sonnenstrahlen, die sich über die Hausdächer geschmuggelt hatten, ließen ihr Fell schimmern. Auf dem silbergrauen Untergrund saßen schwarze Tupfen, wie von der Hand eines Malers spielerisch hingeworfen.
    Millas Blick fiel auf den schlanken Mann, ungefähr eine Handvoll Jahre älter als sie, der vom Heck aus die Gondel steuerte, wenngleich sein Ruder im Augenblick bewegungslos in der Gabel lag. Schwarze Haare umrahmten ein schmales Gesicht. Die Hose und das enge Wams, unter dem ein weißes Hemd hervorschaute, waren grau und aus schlichtem Stoff
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