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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt
Autoren: Brigitte Riebe
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für die bereits zahlreiche Gondeln zum Weitertransport warteten. Sie stritten sich um Platz mit den Lastkähnen, die die mitgebrachten Waren löschen und an verschiedenste Plätze in der Stadt transportieren würden. Den Anblick der Sklaven vom Schwarzen Meer, die anschließend zur Riva degli Sciavoni gezerrt werden würden, wollte sie sich lieber ersparen.
    Er kommt, er kommt nicht, er kommt, er kommt nicht, er kommt …
    »Da bist du ja«, hörte sie plötzlich Ysas Stimme. »Ich hatte schon Angst, dich in dem Gewimmel zu übersehen!« Ihre Tante kniff die Augen zusammen und starrte zu den Schiffen hinüber.
    »Glaubst du, er ist dieses Mal dabei?«, fragte Milla bang.
    »Es gibt immer einen Weg zurück«, sagte Ysa. »Nur der Tod schließt die Tür. Und ich würde spüren, wenn Leandro nicht mehr am Leben wäre.«
    Wieder dieses heftige Schuldgefühl, das Milla wie einen Stich im Herzen spürte. Hätte sie sich nicht wenigstens ihr, Tanta Ysa, anvertrauen müssen?
    »Er würde uns niemals im Stich lassen«, fuhr Ysa fort. »Dazu kenne ich ihn viel zu gut!«
    »Aber wenn er vielleicht gar nicht nach Konstantinopel ausgelaufen ist …« Milla hielt plötzlich inne.
    Schimmerte dort drüben im Sonnenlicht nicht ein roter Schopf?
    Auf den ersten Blick schien alles zu stimmen: die Größe, die Statur, sogar die bräunliche Schecke, die ihr Vater so oft getragen hatte! Wie von selbst setzten sich ihre Beine in Bewegung, und nun fiel es ihr plötzlich ganz leicht, sich zielstrebig durch die Menschenmenge zu bewegen und einen Weg zu bahnen.
    »Lasst mich durch!«, rief sie und setzte sogar die Ellbogen ein. »Mein Vater …«
    Doch als sie vor dem Mann angelangt war, blieben ihr alle Worte im Hals stecken.
    Er war um vieles jünger als Leandro, Anfang zwanzig, wie sie schätzte. Sein Gesicht war sommersprossig und wirkte freundlich, was die hellen Augen unter rötlichen Brauen unterstrichen. Das Haar erwies sich von Nahem als weniger stark gelockt und war eher braun als rot, wenngleich hie und da eine Feuersträhne aufblitzte. Alles in allem ein gut aussehender Mann – wenn sie dafür jetzt einen Blick gehabt hätte.
    »Du suchst deinen Vater?«, fragte er lächelnd. »Ich fürchte, damit kann ich leider nicht dienen! War er denn bei der letzten muda dabei?«
    Milla schüttelte den Kopf, versuchte die bittere Enttäuschung zu vertreiben und rang um die richtigen Worte.
    »Nein, er ist schon viel länger fort, aber Ihr seht ihm ein wenig ähnlich«, brachte sie schließlich hervor. »Verzeiht, Messèr, wenn ich Euch …«
    »Marco. Marco Bellino.« Sein Lächeln vertiefte sich, was ihm etwas überraschend Jungenhaftes gab. »Du kannst mich ruhig duzen. So alt bin ich nämlich noch gar nicht.« Eine Falte erschien zwischen seinen Brauen. »Bist du nicht die Kleine, die im ippocampo bedient?«
    »Ich heiße Milla«, erwiderte sie. »Milla Cessi.«
    »Die Tochter von Leandro Cessi? Dem Glasbläser?«
    Freudiger Schreck fuhr ihr in alle Glieder. Das hörte sich ja an, als ob er ihn kannte!
    »Ist mein Vater endlich zurück?«, fragte sie.
    »Sag du es mir!« Sein Blick war plötzlich wachsam.
    »Du hast seinen Namen eben so seltsam betont«, sagte Milla. »Als ob du etwas wüsstest.«
    »Nur das, was alle wissen.« Seine Stimme klang auf einmal ganz flach. Weil er der Tochter eines stadtbekannten Verräters nicht über den Weg traute?
    All ihre Sympathie für den jungen Mann, der so freundlich gewesen war, war mit einem Mal verflogen. Sollte er doch denken, was sie alle dachten! Milla wusste, dass es anders sein musste.
    Hilfesuchend blickte sie sich nach Ysa um, doch die war ein wenig zurückgeblieben und stand gerade mit drei Männern zusammen, die heftig auf sie einredeten, als versuchten sie, sie von etwas zu überzeugen.
    Feuerleute aus Murano?
    Milla glaubte, zwei davon wiederzuerkennen. Aber was machten sie hier in Venedig?
    Sie spürte, wie sich Enttäuschung und Wut in ihr zusammenballten und eine glühende Kugel bildeten, die jeden Augenblick explodieren konnte. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an. Ihr Vater war auch heute wieder nicht dabei gewesen. Vielleicht würde er niemals mehr zurückkehren – und dann gab es auch keinen Grund mehr für Savinia, nicht zum Magistrat zu gehen und ihn offiziell für tot erklären zu lassen. Wenigstens müsste dann die scuola von Murano die Auszahlung des Witwen- und Waisengelds leisten, das sie so dringend brauchten, um die Renovierung der Taverne in Angriff zu nehmen. Aber
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