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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt
Autoren: Brigitte Riebe
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die ersten Händler ihre Stände schon zuklappten.
    »Petersilie!«, stieß sie hervor, als sie bei dem dicken Händler am Ende des Markts angelangt war, der meistens noch etwas in der Hinterhand hatte. Heute allerdings schien selbst er in Nöten. Ihr Blick flog über seinen nahezu leeren Stand. »Alles, was du hast!«
    Was sich bei näherer Betrachtung als recht dürftig erwies – gerade einmal vier Bündel streckte er ihr entgegen.
    »Wir leben in schwierigen Zeiten«, klagte er. »Seitdem Venedig seine gierigen Finger nach dem Festland ausgestreckt und sich die ganze Welt gegen uns zusammengerottet hat, mucken sogar die Bauern auf. Drei magere Gemüsekisten konnte ich heute ergattern, und das sündteuer! Außerdem habe ich läuten hören, dass Brot ab nächster Woche doppelt so viel kosten soll.«
    »Dann muss meine Mutter auch die Preise aufstocken – und die Gäste werden murren oder ausbleiben.«
    Er zuckte die fleischigen Schultern.
    »Wir, die Kleinen, haben seit je ausbaden müssen, was die Großen aushecken. Daran wird sich nie etwas ändern.« Als sie in ihrer Rocktasche nach Münzen zu kramen begann, grinste er. »Lass dein Kupfer stecken«, rief er. »Sag lieber der schönen Savinia, sie soll mir heute Abend Ravioli mit Ricotta und Petersilie kochen – und mich damit zum glücklichsten Mann Venedigs machen!«
    Als sich Milla zum Gehen wandte, saß der Kater direkt neben ihr und schaute mit seinen hellgrünen Augen zu ihr auf.
    »Es geht zurück zur Taverne, Signor Puntino«, entfuhr es ihr.
    Puntino – kein passenderer Name hätte ihr einfallen können!
    Der Kater schien der gleichen Meinung zu sein, fuhr sich einmal mit der Pfote lässig über das Gesicht und folgte ihr, als sei es niemals anders gewesen.
    Der halbe Markt war gekommen, als hätten die Händler seit Tagen nichts Anständiges mehr zu essen bekommen. Sogar Wartezeiten nahmen sie ohne zu murren in Kauf, lachten und scherzten, bis sie endlich einen Tisch bekamen. Zwischendrin musste immer wieder Geschirr gespült werden, weil Teller, Schüsseln und Becher auszugehen drohten. Doch irgendwie meisterten sie auch das, und als der letzte Gast das ippocampo schließlich verlassen hatte, atmeten alle drei Frauen erleichtert auf.
    Ysa sank mit einem Seufzer auf einen Hocker und fächelte sich Luft zu. »Noch mehr solcher Tage – und ich schwimme nach Murano zurück«, murmelte sie.
    »Geh nach Hause und ruh dich ein wenig aus«, sagte Savinia zu ihrer Tochter. »Aber vergiss die Schmutzwäsche nicht.« Sie strich sich das Haar aus der schweißnassen Stirn. »Heute haben sie alle geschlungen, als sei ihr letzter Tag auf Erden angebrochen!«
    »Der dicke Gemüsehändler meint, das liege daran, dass sich die ganze Welt gegen Venedig verschworen habe …«
    »Wenn dieser alte Fresssack nichts im Bauch hat, redet er immer Unsinn. Mach schon, dass du rauskommst, Milla. Könnte ein langer Abend werden.«
    Warme Nachmittagssonne empfing sie, als sie aus der Hintertür stolperte. Milla stopfte das lästige Wäschebündel hinter ein paar Kisten. Darum würde sie sich später kümmern. Sie wusste, dass die Mutter Hilfe brauchte, aber im Augenblick hatte sie dazu einfach keine Lust.
    Um nach Hause zu gelangen, hätte sie sich jetzt nur rechts und dann wieder links halten müssen, stattdessen zog es sie in die andere Richtung, nach vorn, zum glitzernden Wasser. Sie hörte das Kreischen der Möwen, die sich um Essensreste zankten, sie sah die Gondeln, die auf dem Canal Grande unterwegs waren, und plötzlich überfiel sie jähe Sehnsucht nach Murano.
    Was war wohl aus dem roten Haus und dem kleinen Garten geworden? Savinia hatte ab und zu davon gesprochen, es zu verkaufen, dafür jedoch, soweit Milla wusste, noch keinen Finger gerührt. Weil sie insgeheim hoffte, dass ihr Mann doch zurückkam, und all das barsche Getue eigentlich nur Selbstschutz war?
    Etwas zog plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf sich.
    Saß dort drüben auf der großen Holzbrücke nicht der getüpfelte Kater aus der blauen Gondel?
    Langsam ging sie auf ihn zu.
    Er wartete nicht ab, bis sie ganz bei ihm angelangt war, sondern setzte sich kurz zuvor in Bewegung. Milla folgte ihm. Mit erhobenem Schwanz stolzierte er über die Rialtobrücke, zielstrebig, aber ohne Eile, vorbei am Fontego dei Tedeschi, die Niederlassung der deutschen Händler in Venedig. Beim Campo San Bartolomeo bog er links ab, dann rechts, dann wieder links, um schließlich eine kleine Brücke zu überqueren.
    Milla fiel auf,
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