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So berauschend wie die Liebe

So berauschend wie die Liebe

Titel: So berauschend wie die Liebe
Autoren: Jacqueline Baird
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1. KAPITEL
    Lorenzo Zanelli, Eigentümer der jahrhundertealten Zanelli Merchant Bank, trat mit nachdenklicher Miene aus dem Aufzug seiner Bürosuite im obersten Stock des prächtigen Altbaus im Herzen Veronas.
    Obwohl sein Geschäftsessen an diesem Mittag mit Manuel Cervantes, dem Kopf eines argentinischen Konzerns, positiv verlaufen war, befand sich Lorenzo nicht in guter Stimmung. Denn als das Formale zwischen ihnen erledigt war, kam Manuel auf ein persönliches Thema zu sprechen: die Notwendigkeit, dass er seine Karriere als leidenschaftlicher Bergsteiger und Fotograf hatte aufgeben müssen, um nach dem unerwarteten Tod seines Vaters vor fünf Jahren die Leitung des Konzerns zu übernehmen. Inzwischen war er verheiratet, hatte zwei Kinder und endlich Zeit gefunden, die Fotos von seinem letzten Trip in die Alpen zu sichten. Er zeigte Lorenzo einige der Aufnahmen.
    Die Bilder waren im Basiscamp der Expedition zum Mont Blanc aufgenommen worden, an der Manuel teilgenommen hatte, und zeigten rein zufällig auch einige Schnappschüsse von Lorenzos Bruder Antonio und dessen bestem Freund Damien Steadman, beide in leuchtend roten Jacken und breit grinsend, wie sie gerade im Camp eintrafen, als Manuels Team zum Aufstieg aufbrach. Am nächsten Tag hatte Manuel im letzten Abschnitt des Aufstiegs zum Gipfel die Nachricht vom Herzinfarkt seines Vaters erreicht. Er war mit dem Hubschrauber vom Berg geholt worden, und das letzte Foto zeigte noch den Ausblick auf den Mont Blanc aus der Kabine des Helikopters, der ihn zum Basiscamp zurückbrachte. Manuel hatte die nächste Maschine nach Argentinien genommen und erst viel später von Antonios tragischem Tod am Berg erfahren. Deshalb hatte er jetzt Lorenzo die vermutlich letzten Aufnahmen von seinem jüngeren Bruder mitgebracht, und Lorenzo war ihm sehr dankbar dafür. Aber es weckte Erinnerungen, die er in den vergangenen Jahren zu vergessen versucht hatte.
    Auf dem Rückweg zu seinem Büro war ihm dann noch Olivia Paglia, eine alte Freundin, über den Weg gelaufen, was ihn weiter aufgehalten hatte. Und seine Laune hob sich nicht gerade, als er nun im Empfangsbereich eine blonde Frau sah, die offensichtlich auf ihn wartete. Miss Steadman – er hatte den Termin fast vergessen, und es war kein günstiger Zeitpunkt, sich mit ihr zu befassen.
    „Lucy Steadman?“ Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Vor Jahren war er ihr schon einmal in London begegnet, als er auf einer Geschäftsreise kurz in der Wohngemeinschaft seines kleinen Bruders vorbeigeschaut hatte. Damals war sie ein nichtssagendes Schulmädchen mit langen blonden Zöpfen in einem übergroßen Sweatshirt gewesen, das seinen Bruder offenbar besucht hatte und gerade aufbrach, als Lorenzo eintraf. Antonio und ihr Bruder Damien hatten sich an der Londoner Universität kennengelernt und waren schnell beste Freunde geworden. Eine Freundschaft, die tragisch endete – und an die Lorenzo an diesem Tag nicht zum zweiten Mal erinnert werden wollte.
    „Entschuldigen Sie die Verspätung. Es ist etwas Wichtiges dazwischengekommen …“
    Sie erhob sich, und Lorenzo stellte fest, dass sie sich kaum verändert hatte: so klein, dass sie ihm gerade mal bis zur Schulter reichte, das blonde Haar streng zusammengebunden, keine Spur von Make-up in dem zarten Gesicht. Das weite Sweatshirt war einem ebenfalls zu großen schwarzen Kostüm gewichen, dessen langer Rock ihrer Figur nicht gerade schmeichelte. Zierliche Fesseln und kleine Füße, wie Lorenzo bemerkte, aber die flachen schwarzen Pumps hatten auch schon bessere Zeiten gesehen. Offensichtlich nahm sie ihr Aussehen nicht so wichtig – eine Eigenheit, die er bei Frauen wenig anziehend fand.
    Lucy Steadman blickte den Mann an, der vor ihr stehen geblieben war. Antonio hatte ihr einmal erzählt, dass sein Bruder viel älter sei als er – ein seriöser langweiliger Bankier, der nicht wisse, wie man das Leben genießt. Als sie Lorenzo Zanelli jetzt gegenüberstand, begriff sie, was Antonio gemeint hatte.
    Schätzungsweise einen Meter neunzig groß, trug er einen konservativen dunklen Anzug, kombiniert mit einem weißen Hemd und einer dunklen Seidenkrawatte. Lucys Blick glitt unwillkürlich über seine breitschultrige athletische Figur, die das maßgeschneiderte Sakko eindrucksvoll betonte, zu seinen schmalen Hüften, doch dann riss sie sich zusammen und schaute ihm rasch wieder ins Gesicht, das genauso ernst und humorlos wirkte, wie sein jüngerer Bruder ihn damals beschrieben hatte.
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