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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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und streckte beide Hände ungeduldig danach aus. Es gibt nichts, was mich so entzückt, wie der reine und starke Ausdruck des Begehrens. ›Ich liebe die Granatäpfel über alles!‹ rief sie, als spürte sie schon den herb-lieblichen Geschmack auf der Zunge. Und sie war ebenso kindlich, wie ihr Name archaistisch! Ich war gerührt; aber Andrea Contarini schien die Lebhaftigkeit der Gattin ernsthaft zu mißbilligen. Er ist ein Hades, der, wie es scheint, kein Vertrauen hat in die von dem legitimen Gatten erprobte mnemonische Kraft der sieben Kerne. Aber auch die Bootführer waren gerührt und stießen die Barke ans Land, so daß ich als erster herausspringen konnte auf das Gras, und ich machte mich daran, den blutsverwandten Baum zu plündern. Man konnte hier mit heidnischem Mund die Worte des heiligen Abendmahls anwenden: ›Nehmet hin und esset; das ist mein Leib, der für euch gegeben ist; tut solches zu meiner Erinnerung.‹ Was meinen Sie dazu, Perdita? Glauben Sie nicht, daß ich erfinde. Ich spreche die Wahrheit.«
    Sie ließ sich verführen von diesem freien und feinen Spiel, in dem er die Beweglichkeit seines Geistes und die Leichtigkeit seiner Redegabe zu erproben schien. Es war in ihm etwas Wogendes, Flackerndes und Mächtiges, etwas, das in ihr die zwiefache und verschiedenartige Vorstellung von Flamme und Wasser weckte.
    »Nun« – fuhr er fort – »hat Donna Andriana ihr Versprechen gelöst. Geleitet von dem Geschmack antiker Prachtliebe, der sich in ihr so lebendig erhalten hat, hat sie in dem Dogenpalast eines jener wahrhaft fürstlichen Feste vorbereitet, wie man sie am Ausgang des Cinquecento feierte. Sie hat daran gedacht, die Ariadne des Benedetto Marcello der Vergessenheit zu entreißen, und läßt sie an demselben Ort klagen, wo Tintoretto die Tochter des Minos gemalt hat, in dem Augenblick, da sie von Aphrodite die Sternenkrone empfängt. Erkennen Sie nicht in der Schönheit dieses Gedankens die Frau wieder, die ihre lieben Augen zurückließ auf dem unvergleichlichen grünen Gewand? Und nun nehmen Sie dazu, daß diese Musikaufführung in dem Saal des Großen Rates ein antikes Seitenstück besitzt. In demselben Saale wurde im Jahre 1573 eine mythologische Schöpfung von Cornelio Frangipani mit Musik von Claudio Merulo zu Ehren des allerchristlichsten Heinrich III. aufgeführt. Gestehen Sie, Perdita, daß meine Gelehrsamkeit Sie verblüfft. Ach, wenn Sie wüßten, wieviel ich über diesen Gegenstand gesammelt habe. Wenn Sie einmal eine schwere Strafe verdient haben, werde ich Ihnen meine Rede vorlesen.«
    »Aber diese Rede, werden Sie sie nicht heute abend halten auf dem Fest?« – fragte die Foscarina erstaunt und beunruhigt, in der Furcht, er möchte bei seiner bekannten Pflichtvergessenheit den Entschluß gefaßt haben, die allgemeine Erwartung zu enttäuschen.
    Er verstand die Unruhe der Freundin und wollte sie nicht beschwichtigen.
    »Heute abend« – antwortete er mit ruhiger Bestimmtheit – »werde ich bei Ihnen im Garten einen Sorbet nehmen und mich an dem Anblick des unter dem Firmament im Juwelenschmuck strahlenden Granatbaumes erfreuen.«
    »Oh, Stelio! Was wollen Sie tun?« – rief sie aus und stand auf.
    In ihrem Wort wie in ihrer Bewegung lag ein so lebhaftes Bedauern, und gleichzeitig rief sie eine so seltsame Vorstellung der wartenden Menge hervor, daß er davon betroffen war. Das Bild des schreckhaften Ungeheuers mit den zahllosen menschlichen Gesichtern tauchte wieder vor ihm auf zwischen dem Gold und dem dunkeln Purpur des gewaltigen Saales, und er fühlte im voraus den festen Blick und den heißen Atem auf seiner Person und bemaß plötzlich die Gefahr, der zu trotzen er beschlossen hatte, indem er sich einer einzigen momentanen Eingebung überließ, und er empfand Entsetzen über diese plötzliche Geistesverdunklung, diesen plötzlichen Schwindel.
    »Beruhigen Sie sich,« – sagte er – »ich habe gescherzt. Ich werde ad bestias gehen; und ich gehe unbewaffnet. Haben Sie vorher das Zeichen nicht gesehen? Glauben Sie, daß es umsonst war, nach dem Wunder von Torcello? Auch als Warnung ist es mir einst erschienen, daß ich keine andern Pflichten auf mich nehme, als wozu Natur mich bestimmt. Sie wissen nun recht gut, liebe Freundin, daß ich nur von mir selbst sprechen kann. Ich muß also von dem Throne der Dogen herab zu der Versammlung von meiner teuren Seele sprechen, unter dem Schleier irgendeiner verführerischen Allegorie und mit dem Zauber einer schönen
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