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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Das Epiphaniasfest des Feuers
    Stelio, klopft Ihnen das Herz nicht zum erstenmal?« – fragte die Foscarina mit schwachem Lächeln, die Hand des schweigsamen Freundes, der an ihrer Seite saß, leicht berührend. – »Ich sehe Sie ein wenig bleich und nachdenklich. Welch schöner, sieghafter Abend für einen großen Dichter!«
    Mit einem Blick ihrer empfänglichen Augen umfaßte sie die ganze göttliche Schönheit, die der letzte Dämmerschein des Septemberabends ausströmte. In diesem leuchtend dunkeln Himmel umkränzten Lichtgirlanden, vom Ruder im Wasser erzeugt, die aufragenden Engel, die in der Ferne auf den Glockentürmen von San Marco und San Giorgio Maggiore schimmerten.
    »Wie immer« –- fuhr sie mit ihrer süßesten Stimme fort – »wie immer ist alles Ihnen günstig. Welche Seele könnte sich an einem Abend, wie heute, den Träumen verschließen, die Sie durch Ihre Worte heraufbeschwören werden? Fühlen Sie nicht schon, wie die Menge bereit ist, Ihre Offenbarung zu empfangen?«
    So umschmeichelte sie den Freund in zarter Weise, liebkoste ihn mit Schmeichelworten, hob seine Stimmung durch unablässiges Lob.
    «Man konnte kein prächtigeres und ungewöhnlicheres Fest ersinnen, einen so reizbaren Dichter, wie Sie, aus dem elfenbeinernen Turm zu locken. Ihnen allein war die Freude vorbehalten, zum erstenmal zu einer Menge zu sprechen an einem so erhabenen Ort, im Saal des Großen Rates, auf der Tribüne, von dereinst der Doge zu der Versammlung der Patrizier sprach, das ›Paradies‹ des Tintoretto als Hintergrund und über sich den ›Ruhm‹ des Veronese.«
    Stelio Effrena blickte ihr in die Augen.
    »Wollen Sie mich berauschen?« – sagte er mit plötzlicher Heiterkeit. – »Das ist der Becher, den man denen reicht, die zum Tode geführt werden. Nun wohl, meine Freundin, ich gestehe Ihnen, mein Herz klopft ein wenig.«
    Der Lärm geräuschvoller Zurufe tönte von dem Traghetto San Gregorio herüber, hallte wider über den Canale Grande und wurde von den beiden kostbaren Disken aus Porphyr und Serpentinstein zurückgeworfen, die das Haus der Dario schmücken, das geneigt steht, wie eine gealterte Courtisane unter der Pracht ihres Geschmeides.
    Die königliche Gondel fuhr vorüber.
    »Sehen Sie hier die unter Ihren Hörerinnen, der beim Beginn zu huldigen die Etikette Ihnen vorschreibt« – sagte die schmeichelnde Frau, auf die Königin anspielend. – »In einem Ihrer ersten Bücher, dünkt mich, gestehen Sie Ihren Respekt und Ihre Vorliebe für alles Zeremonielle. Eine Ihrer seltsamsten Phantasien hat einen Tag Karls des Zweiten von Spanien zum Motiv.«
    Da die königliche Barke dicht an ihrer Gondel vorbeifuhr, grüßten die beiden. Die Königin wandte sich, als sie den Dichter der ›Persephone‹ und die große Tragödin erkannte, in unwillkürlicher Neugier: blond und rosig, von ihrem schonen unermüdlichen Lächeln verklärt, das sich in dem lichten Gewoge der buranesischen Spitzen verlor. An ihrer Seite saß die Herrin von Burano, Andriana Duodo, die auf der kleinen betriebsamen Insel einen Garten von Spitzen zog, in dem antike Blumen in wunderbarer Weise neu erstanden.
    »Scheint es Ihnen nicht, Stelio, als ob das Lächeln dieser beiden Frauen einander gleicht wie Zwillinge?« – sagte die Foscarina und blickte auf das Wasser, das in der Furche der enteilenden Barke aufflammte, auf der der Widerschein des zwiefachen Lichts sich zu verlängern schien.
    »Die Gräfin hat eine reine und herrliche Seele, eine jener seltenen venetianischen Seelen, in denen die alten Bilder sich lebendig spiegeln« – sagte Stelio mit Dankbarkeit. »Ich hege eine tiefe Bewunderung für ihre sensitiven Hände. Es sind Hände, die vor Entzücken beben, wenn sie eine schöne Spitze oder schönen Samt berühren, und sie verweilen darauf mit einer Anmut, die fast sich schämt, allzu weich zu sein. Eines Tages als ich sie durch die Säle der Academia begleitete, blieb sie vor dem ›Bethlehemitischen Kindermord‹ des ersten Bonifazio stehen (– Sie erinnern sich gewiß des grünen Gewandes bei der zu Boden geworfenen Frau, die der Soldat des Herodes eben töten will: ein unvergeßlicher Ton! –); sie blieb lange davor stehen, auf ihrem Gesicht leuchtete die Freude über diesen vollkommenen Genuß, dann sagte sie zu mir: ›Führen Sie mich fort, Effrena. Ich muß meine Augen auf diesem Gewand lassen und kann nichts anderes mehr sehen.‹ Ach, teure Freundin, lächeln Sie nicht! Sie war offen und aufrichtig, da sie
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