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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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harmonischen Kadenz. Das werde ich ex tempore tun, wenn der Feuergeist des Tintoretto mir von seinem Paradies die Leidenschaft und den kühnen Mut mitteilt. Das Wagnis reizt mich. Aber auf welch sonderbaren Irrtum war ich verfallen, Perdita. Als die Dogaresse mir das Fest ankündigte und mich einlud, ihr die Ehre zu erweisen, machte ich mich daran, eine pomphafte Rede auszuarbeiten, weitschweifig und feierlich, wie einer der violetten Talare, die in den Glasschränken des Museo Civico eingeschlossen sind; nicht ohne einen tiefen Kniefall vor der Königin in der Einleitung und einen dichten Blätterkranz für das Haupt von Serenissima Andriana Duodo. Und für einige Tage gefiel es mir ganz besonders, in dem Geiste eines venetianischen Edelmannes aus dem 16. Jahrhundert zu leben, einer Zierde aller Wissenschaften, wie der Kardinal Bembo war, der der Schule der Uranici oder der Adorni angehörte, ein treuer Besucher der muranesischen Gärten und der asolanischen Hügel. Gewiß, ich fühlte eine Ähnlichkeit zwischen dem Bau meiner Perioden und den massiven Goldrahmen, die die Bilder in dem Saale des Rates einfassen. Aber ach, als ich gestern in der Frühe in Venedig eintraf und, über den Canale Grande gleitend, meine Müdigkeit in dem feuchten und durchsichtigen Schatten badete, und der Marmor noch seine nächtlichen heiligen Schauer ausströmte, fühlte ich, daß meine Aufzeichnungen wertloser waren als die toten Algen, die die Flut hereinspült, und sie schienen mir ebenso fremd wie die darin erwähnten und besprochenen Triumphe des Celio Magno und die Seegeschichten des Anton Maria Consalvi. Was also tun?«

    Er forschte mit den Blicken umher am Himmel und auf dem Wasser, wie um eine unsichtbare Gegenwart zu entdecken, irgendeine plötzliche Erscheinung wahrzunehmen. Ein gelblicher Schimmer breitete sich dem Lido zu aus, der sich am Horizont in feinen Linien, wie die undurchsichtigen Adern im Achat, abzeichnete; weiter zurück nach Maria Della Salute war der Himmel mit leichten rosigen und violetten Dunstwölkchen bestreut, einem grünlichen, von Medusen bevölkerten Meere gleichend. Von den nahen Gärten sanken die Düfte des mit Licht und Wärme gesättigten Laubwerks so schwer nieder, daß sie fast aromatischen Ölen gleich auf dem bronzefarbenen Wasser zu schwimmen schienen.
    »Fühlen Sie den Herbst, Perdita?« – fragte er die in Gedanken versunkene Freundin mit der Stimme des Weckers.
    Die Vision der verblichenen Sommergöttin, in dem opalschillernden gläsernen Schrein verschlossen und in die Tiefe der algenreichen Lagune versenkt, tauchte wieder vor ihr auf.
    »Er lastet auf mir,« erwiderte sie mit melancholischem Lächeln.
    »Haben Sie ihn nicht gestern gesehen, als er sich über die Stadt senkte? Wo waren Sie gestern bei Sonnenuntergang?«
    »In einem Garten der Giudecca.«
    »Ich hier, auf der Riva. Scheint es Ihnen nicht so? Wenn menschliche Augen ein solches Schauspiel von Schönheit und Freude genießen durften, müssen die Lider sich für immer senken und fest versiegelt bleiben. Ich möchte heute abend von diesen intimen Stimmungen sprechen, Perdita. Ich möchte in meinem Innern die Hochzeit Venezias mit dem Herbste feiern, und mit einer Farbenharmonie, die nicht zurückstehen sollte hinter Tintorettos Farbenglanz auf seinem Bilde, die Hochzeit der Ariadne und des Bacchus , in dem Saale des Anticollegio: – himmelblau, purpur und gold. Gestern ganz plötzlich öffnete sich in meiner Seele der alte Keim eines Gedichts. Ich erinnerte mich des Bruchstückes eines vergessenen Poems, in neunzeiligen Strophen, das ich vor einigen Jahren begonnen hatte, als ich zum erstenmal im Anfang des Septembers zu Schiff nach Venedig kam. Die Allegorie des Herbstes war der Titel, nicht mehr mit Weinlaub bekränzt nahte der Gott, sondern mit Edelsteinen gekrönt, wie ein Fürst des Veronese, und flammende Leidenschaft in den wollüstigen Adern, in die meerentstiegene Stadt mit den marmornen Armen und den tausend grünen Gürteln einzuziehen. Damals hatte der Gedanke noch nicht die innere Reifekraft erreicht, die zu der künstlerischen Entfaltung notwendig ist, und instinktiv verzichtete ich auf die Anspannung des Geistes, die die Ausführung erfordert hätte. Aber da im lebendigen Geist wie in fruchtbarem Erdreich kein Samenkorn verloren geht, so ersteht er mir jetzt im gelegenen Augenblick von Neuem und verlangt mit einer Art Dringlichkeit nach Ausdruck. Welch geheimnisvolle und gerechte Mächte regieren die
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