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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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schneller als die heranspritzenden Türken.
    Doch die waren ganz offensichtlich nicht an weiteren deutschen Geiseln interessiert, sondern an Tuğrul. Die Leute von der K-Y-Bewegung brauchten ihn, als Kämpfer wie später als Verhandlungsführer.
    Hanna schrie aus dem Wagen, er solle endlich kommen. Die Landsleute, die ihn umringt hatten, schrien noch lauter, hängten sich an ihn, rissen ihm das Jackett herunter.
    Hanna, die sich eingeriegelt hatte, streckte sich nach rechts und stieß die Tür dort auf – Platz für Tuğrul!
    Ein wilder Streit; ein Handgemenge, kriegstanzähnlich. Dann abruptes Abflauen; Tuğrul schien sich für seine Landsleute entschieden zu haben. Hanna gab Gas.
    Doch kaum hatte der Transporter einen Satz nach vorn gemacht, da brach Tuğrul mit der Gewalt eines amerikanischen Footballprofis durch den Ring der anderen Türken und schaffte es noch, sich auf den Beifahrersitz zu schwingen…
    Jetzt war alles entschieden, und zugleich war noch gar nichts entschieden. Denn ringsherum war Bürgerkrieg; umgestürzte Autos brannten und Doppeldeckerbusse. Die Scheiben deutscher Geschäfte und Banken gingen zu Bruch, Molotow-Cocktails flogen hinein. Demonstrationszüge formierten sich, zerfielen wieder. Polizeieinheiten, schildbewehrt wie römische Legionäre, kämpften sich vor mit Tränengas und Wasserwerfern, waren aber der rasenden Wildheit ihrer Gegner nicht gewachsen; sie blieben Beamte, während die anderen viel weniger zu verlieren hatten.
    Am Kottbusser Tor flog eine Tankstelle in die Luft. Hanna riß den Wagen herum. Die Ausfallstraße aus dem Getto Richtung Süden, der Kottbusser Damm, war ohne hin blockiert; dorthin, ins deutsche Wohngebiet, wälzte sich der Strom der Plünderer.
    Also die Skalitzer Straße entlang, an den Hochbahnpfeilern vorbei… Doch keine hundert Meter weiter waren Türken dabei, Barrikaden zu errichten, angetrieben von zwei jungen Brokdorf-Deutschen, die ihre Chance zu nutzen wußten. Das Pflaster war schon aufgerissen, Baufahrzeuge umgestürzt. So was wie einen VW-Transporter brauchten sie noch, denn vom Erkelenzdamm her näherte sich ein Trupp gerade ins Gefecht geführter Polizisten. Spartanisch ihre Phalanx, römisch ihre Kraft, japanisch ihr Laufschritt, deutsch ihr Reinigungswille.
    Hanna bremste; es gab kein Weiterkommen mehr. Ein Stein zertrümmerte die Windschutzscheibe; ein pavian-mähniger Kämpfer riß sie vom Sitz. Schnell war Benzin über die Polster gegossen.
    Dann das Schnappen eines Feuerzeugs.

 
    KOCHALE ERNTET STURM
     
     
     
    Wirklichkeit zu beschreiben, sie in den Griff zu kriegen, ist unmöglich, weil Wirklichkeit im entscheidenden Punkt aus menschlichem Handeln besteht – und zwar aus dem parallel, oder besser: in derselben Zeiteinheit ablaufenden Handeln zahlloser Menschen, von denen niemand weiß, warum sie gerade dieses oder jenes tun beziehungsweise unterlassen; eigentlich nicht einmal sie selber. Aber auch dann, wenn die Handelnden zählbar sind und bekannte Namen tragen – Kochale, Hanna, Tuğrul, Niyazi, Happy, Mannhardt – , gelingt es keinem Menschen, das Ganze in sich aufzunehmen, denn einmal ist die Wirklichkeit für jeden der Akteure eine andere, und zum anderen gibt es viele verschiedene Schauplätze respektive Ebenen, auf denen sich das ereignet, was sich ereignen muß, weil es in der inneren Dynamik der Situationen wie der Personen so angelegt ist: Muhat im Alleingang mit fünf Kilo Sprengstoff / Kochale gefangen im Keller einer alten Kreuzberger Fabrik / Mallwitz mit einem Türken auf dem Flughafen Tegel / Happy gefesselt im Hinterzimmer eines türkischen Reisebüros / Mannhardts letzter Einsatz in der Sonderkommission SO 36 / Das Haus am Erkelenzdamm mit Theos Wohnung und dem neuen Polizeirevier – und das Ende.
    Einiges läuft auch nacheinander ab, aber um die Wirklichkeit dieses Freitags voll zu zeigen, müßten viele Filme gleichzeitig ablaufen, übereinander gelegt, ineinander kopiert. Da dies nicht geht, ja, alles völlig unbegreiflich machte, bleibt nur, von den einzelnen Schauplätzen nacheinander zu berichten.
     
    M UHAT IM A LLEINGANG MIT FÜNF K ILO S PRENGSTOFF .
     
    Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß sollte die Bewachung des Polizeireviers Erkelenzdamm später als ‹überaus perfekt› bezeichnet werden, doch Muhats Plan war schlichtweg genial, und wenn es ihm gelingen sollte, war er im K-Y-Bereich der Größte.
    Muhat hatte die Schornsteinfeger beobachtet, und er wußte Bescheid. Fünf Häuser
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