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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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weiter, hinten in der Dresdener Straße, stieg er aus einer Dachluke; dreißig Meter Wäscheleine um den Leib gewickelt und den Sprengstoff in einer Blechröhre aus mehreren aneinandergeschraubten Kaffeebüchsen. Selbstverständlich dunkel gekleidet: schwarze Hose, schwarzer Pullover. Eichhörnchenhaft huschte er über Dächer, Bretter, Trittleitern. Sein Orientierungsvermögen war gut, und nachdem er über ein Dutzend Dachziegel heruntergenommen hatte, konnte er sich auf den Boden des Hauses am Erkelenzdamm herablassen, zwanzig Meter unter sich die Räume des Polizeireviers. Zwar lagen zwischen ihm und den Deutschen noch fünf Zwischendecken, alle aus der Gründerzeit und entsprechend stabil, doch das störte ihn nicht. Mit Schraubenzieher und Meißel machte er sich daran, ein ausreichend großes Loch in einen der hinunterführenden Schornsteine zu stemmen. Der Putz war verhältnismäßig einfach aus den Fugen zu kratzen, aber er hatte nicht damit gerechnet, daß der Schornsteinzug innen mit Schamott ausgefüttert war.
    Ohne Schlagbohrmaschine und ohne überlaute Hammerschläge hätte er wohl Tage gebraucht. Für einen Augenblick lehnte er sich gegen die rauhe Wand, die Stirn kühlend.
    Dann wickelte er sich die Wäscheleine vom Körper und befestigte das eine Ende an seiner selbstgebauten Bombe. Der Wecker, zum Zeitzünder umgebaut, tickte bereits. Eingestellt war er auf genau 14 Uhr.
    Muhat fand eine Schornsteinfegerleiter und kletterte wieder aufs Dach hinauf.
    Kein Hubschrauber in der Luft, und wenn wirklich jemand von einem der relativ fernen Hochhäuser herüberschaute oder ihn von der Straße her ins Blickfeld bekam, dann mußte der ihn, wie er jetzt seinen Sprengkörper an der langen Leine herabließ, fraglos für einen Schornsteinfeger halten.
    Als er sicher sein konnte, daß der Sprengsatz unten angekommen war, wickelte er das andere Ende der Leine um einen vorstehenden Haltegriff und verschwand auf dieselbe Art und Weise, in der er hergekommen war.
     
    K OCHALE GEFANGEN IM K ELLER EINER ALTEN
    K REUZBERGER F ABRIK (I).
     
    Die Nacht über hatte er allein in dem kalten Kellerraum verbracht. Maximal zehn Quadratmeter, weiß gekalkt; ein Stuhl, eine nackte 25-Watt-Birne. Aus der Decke kam der Stutzen einer stillgelegten Rohrpostanlage. Mit zwei Flaschen Apfelsaft und einem ofenfrischen Weißbrot war er angemessen versorgt worden. Seit etwa zwei Stunden war es im Kellerlabyrinth des abrißgeweihten Gebäudes auffallend still geworden.
    Kochale, noch immer im Malerkittel, hatte einen Filzstift (lila) gefunden und bedeckte die weiße Fläche neben der Glühbirne mit Zahlen und Gleichungen. In Mathematik wie Ökonometrie hatte er immer zur Spitzengruppe seines Jahrgangs gehört, und so war die Lösung selbstgestellter Aufgaben ein wirkungsvoller Tranquilizer für ihn, etwa die Frage, wie weit sich die Summe zweier Größen in der Form von 1 + 1 = 2 extrem verkomplizieren ließ. Nach einiger Zeit war er bei seiner zwölften Gleichung angekommen:
     

     
    Dann machte er sich daran, ein Kreuzworträtsel zu entwerfen, dabei die Gitterstruktur der Kellerwand nutzend, kam aber nicht weit.
    Zu lesen gab es nichts; mal abgesehen von der Titelseite einer türkischen Zeitung, die irgendwer mit Tesafilm an der Innenseite der schweren Stahltür befestigt hatte.
    Kein Fenster, kein Luftzug.
     
    M ALLWITZ MIT EINEM T ÜRKEN AUF DEM F LUGHAFEN T EGEL .
     
    «Wenn die Schlacht vorbei ist, werden ihn die K-Y-Leute vor ihr Gericht stellen und dann erschießen», sagte Niyazi.
    Mallwitz nickte.
    «Aber vorher werden wir ihm noch Bleistift und Papier geben, damit er alles aufschreiben kann, was er weiß, über Sie und den Ku-Klux-Klan…»
    Mallwitz sah hinter einer Boeing 707 her, die beängstigend flach in Richtung Westen abhob. Im Hintergrund als Silhouette die massigen Backsteintürme der JVA Tegel. Vor ihm auf den Knien lag ein Auftragszettel der Malerfirma Conradi, der bedeckt war mit Kochales runenähnlich-ausfasernden Schriftzügen.
    … sitze hier im Auto und befinde mich in Niyazis Gewalt. Er wird mich in die Zentrale der K-Y-Bewegung bringen, ist aber an einem Geschäft mit uns interessiert. Du solltest seine Forderungen erfüllen, denn ehe ich hier sterbe, da packe ich aus. Und das ist auch Dein Ende – unter Garantie! Ich weiß wesentlich mehr, als Du glaubst…
    Niyazi lächelte. «Ich habe viel gelernt, seit ich in Deutschland bin, sehr viel… Zehntausend Mark überweisen Sie bitte auf das Konto meines Vaters;
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