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Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis

Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis

Titel: Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis
Autoren: Kathie Denosky
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1. KAPITEL
    Bekümmert blickte Lily Kincaid am großen Konferenztisch in die Runde. Neben ihrer Familie saßen dort auch die beiden Notare, die sie schon tags zuvor bei der Beerdigung ihres Vaters gesehen hatte. An diesem Morgen waren die zwei Männer zur Verlesung des Testaments von Reginald Kincaid erschienen.
    Lily konnte es immer noch nicht fassen, dass ihr geliebter Vater gestorben war. Aber fast noch unerträglicher war die schockierende Nachricht über sein Doppelleben, das er offenbar in den letzten dreißig Jahren geführt hatte. Die ganze Zeit über hatte er eine zweite Familie in Greenville gehabt!
    Als der Rechtsanwalt ihres Vaters, Harold Parsons, mit einem dicken Aktenordner unter dem Arm den Raum betrat, sich ans Kopfende des Tisches setzte und einige Papiere vor sich ausbreitete, wurde Lily nervös. Der Gedanke, dass ihr Vater von nun an für immer aus ihrem Leben verschwunden sein würde, war grauenhaft. Und genauso grauenhaft war die Vorstellung, dass alles, was er hinterlassen hatte, nun unter den Angehörigen aufgeteilt werden sollte.
    Am schmerzlichsten aber traf sie die Erkenntnis, dass das Bild, das sie von ihm hatte, nur ein Trugbild gewesen, das jäh in tausend Teile zersprungen und für immer zerstört war.
    „Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen“, sagte Mr Parsons, der heute nicht so bärbeißig wie sonst, sondern eher ruhig klang. „Ich habe Reginald viele Jahre gekannt und werde seinen Humor und seine klugen Bemerkungen sehr vermissen. Ich erinnere mich an die Zeit …“
    Als Lilys Halbbruder Jack Sinclair sich räusperte und ungeduldig auf seine Armbanduhr schaute, hielt Parsons inne und sah ihn missbilligend an. Lily biss sich auf die Unterlippe. Wie hatte ein wohlwollender und liebevoller Mann wie ihr Vater nur so einen kaltherzigen Sohn hervorbringen können?
    Der finstere Blick, den ihm ihr älterer Bruder RJ zuwarf, sprach für sich. „Keine Zeit, Sinclair? Noch wichtige Termine?“
    „So ist es“, erwiderte Jack knapp. „Wie lange wird das hier noch dauern, Parsons?“
    Verärgert hob Mr Parsons die weißen Brauen und blickte Jack über den Rand seiner Lesebrille hinweg an. „So lange, bis alles besprochen ist, junger Mann.“
    „Jack, bitte“, sagte Angela Sinclair leise und legte ihrem Sohn zitternd die Hand auf den Arm. „Mach es nicht noch schlimmer.“
    Unter anderen Umständen hätte Lily für diese Frau aufrichtiges Mitgefühl empfunden, denn Reginald Kincaids Tod schien sie tatsächlich getroffen zu haben. Doch Lily ertrug die Vorstellung nicht, dass die Krankenschwester mit dem kinnlangen blonden Haar dreißig Jahre lang die Geliebte ihres Vaters gewesen war und hier einfach so mit ihren Söhnen hereinspazierte, als wären sie ein Teil der Familie. Entweder Angela Sinclair begriff wirklich nicht, was für ein Schock ihre Anwesenheit für die Kincaids war, oder sie verdrängte es ganz einfach.
    „Bitte entschuldigen Sie das Verhalten meines Bruders“, sagte nun Alan Sinclair und lächelte Lily und ihre Familie verständnisvoll an. „Ich denke, Jack hat noch nicht ganz begriffen, dass Reginald für immer von uns gegangen ist.“
    Angelas jüngster Sohn Alan schien in jeder Hinsicht das Gegenteil von seinem älteren Halbbruder zu sein. Jack war groß, schlank, blond und hatte eine kalte und unnahbare Ausstrahlung. Alan hingegen war etwas kleiner und hatte die dunkelblonden Haare und haselnussbraunen Augen seiner Mutter geerbt. Er wirkte wesentlich warmherziger, und sein Mitgefühl für die Kincaids schien nicht gespielt zu sein.
    Offenbar war ihm klar, was für einen furchtbaren Albtraum die Familie gerade durchlebte. Denn neben der Tatsache, dass ihr Vater gestorben war, sich vermutlich sogar selbst das Leben genommen hatte, standen sie immer noch unter dem Schock der Nachricht von seinem Doppelleben.
    „Du musst dich nicht für mich entschuldigen“, erwiderte Jack feindselig. Sein abweisender Blick verriet, dass die Brüder offenbar nicht viel gemeinsam hatten. „Es gibt schließlich nichts, was mir leidtun müsste.“
    „Genug!“, rief RJ bestimmt. Dann wandte er sich wieder an den Rechtsanwalt und nickte ihm zu. „Bitte fahren Sie fort, Mr Parsons.“
    „Wenn Sinclair sich langweilt und kein Interesse an den Details hat, dann schicken Sie ihm doch einfach einen Notizzettel, auf dem steht, was unser Vater ihm hinterlässt“, fügte Matt, der neben RJ saß, verbittert hinzu.
    Matt, der nur ein paar Jahre
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