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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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begehrten sie zu sprechen.
    Sie fühlte sich von ihnen abgeführt, als sie ihnen in Q-Müllers Arbeitszimmer folgte.
    Ob sie rechtsradikale Tendenzen bei Kochale bemerkt habe?
    «Ach Gott, ein Softie war er nicht gerade, aber eine spezifische Affinität zum Hakenkreuz – nein!»
    Ob sie was vom MFC Moabit wisse?
    «Is das ‘n Fußballverein?»
    Ob sie einen besonderen Ausländerhaß bei ihm festgestellt habe.
    «Nein… Gott, ja – wie üblich: Arbeitslosigkeit und so… Aber nicht unreflektiert, schon gar nicht extrem…» Sie hatte Angst, daß die beiden sie nun nach Tuğrul fragen würden und seinen Beziehungen zur militanten K-Y-Bewegung, doch sie taten es nicht.
    Ob sie sich vorstellen könne, daß Kochale zu diesem Giftanschlag fähig gewesen sei – der ermordete Aufsichtsbeamte, ein gewisser Hock, habe sich ja dahingehend geäußert, und die Untersuchung einer von den Häftlingen nach draußen gegebenen Probe sei tatsächlich positiv verlaufen?
    «Nein… Nein, so was ist bei ihm nicht drin!» Loyalität? Aus schlechtem Gewissen? Wer kann einem anderen schon ins Herz sehen… Flucht in die Floskel? Manchmal… Ja: Manchmal hatte sie sich vor Kochale ein bißchen gefürchtet. Und irgendwie war sie auch erleichtert, daß sich ihre Rotkäppchen-Ängste nun als einigermaßen begründet erwiesen hatten.
    Ob sie eine Ahnung habe, wohin Niyazi Turan seine Geisel wohl verschleppt haben könnte, wollten die beiden noch wissen.
    «Nein… Doch wohl irgendwo nach Kreuzberg?»
    Noch ein paar Routinedinge, Hinweise und Ermahnungen, und die beiden Beamten empfahlen sich wieder. Herbert verfolgte ihren Abgang über den Theodor-Heuss-Platz hinweg. «Na, dann sucht mal schön!»
    «Ja, dann mal ab nach Kreuzberg – höchste Eisenbahn!» mahnte Q-Müller. «Ehe der Sturm losbricht.»
    Je weiter sie, über die Oranienstraße kommend, wieder an Springers Hochhaus vorbei, ins Türkenviertel einfuhren, desto stärker häuften sich die Anzeichen für das, was später unter dem Begriff bürgerkriegsähnliche Zustände notiert werden sollte.
    Koranschulen und Versammlungsräume füllten sich; vor den Kneipentüren schwärmte es. Arbeitslose waren ohnehin zu Hause, zahlreiche Nicht-Arbeitslose verließen vorzeitig Maschinen und Fließbänder. Kinder wurden aus den Schulen geholt. Die Händler trugen ihre Auslagen in die Läden zurück und vernagelten die Schaufenster. Bahnen wie Busse füllten sich: Frauen und Kinder wurden in andere Stadtteile geschickt; Männer, die mitmachen wollten, herbeitelefoniert.
    Auf den Bereitstellungsplätzen vor der – in Wirklichkeit nicht existenten – Getto-Mauer warteten schon die ersten Polizisten, planspielgeschult und einsatzbereit und offensichtlich auch darin geübt, aber die Lage falsch berechnend, viel zu schwach. Ihre Fahrzeuge gruppierten sich zu Wagenburgen, die fliehenden Rentner aufzunehmen und alle Nicht-Türken, die jetzt was witterten: Baukolonnen der Post, Sanierungsmanager, Pfarrer, Sozialarbeiter – alle Deutschen, die ins Getto mußten, weil ihr Dienstherr es befahl.
    «Ich komm mir fast vor wie ‘n Kriegsberichterstatter», stöhnte Q-Müller.
    Hanna hatte die Augen geschlossen, schaffte es minutenlang nicht mehr, die vorbeihuschenden Fassaden in sich aufzunehmen; sie kamen ihr vor wie mit Erbrochenem überzogen. Und irgendwo hier, vielleicht keine zehn Meter von ihrem Transporter entfernt, hielten sie Kochale gefangen, folterten ihn, erschossen ihn…
    Herbert war fast fröhlich: «Ich hab’s ja immer kommen sehen!» Das Erfolgserlebnis des linken Sehers, der den prophezeiten Untergang herbeisehnen muß, weil nur er ihn bestätigt.
    Was ihnen auffiel, waren die vielen Deutschen inmitten der türkischen Scharen; Solidarisierung, so schien es, Multiplizierung des Zorns. Ausländer, Instandbesetzer und jene, die glaubten, daß sie nichts mehr zu verlieren hätten als ihre Zukunftslosigkeit, und die die Alleinschuldigen kannten: Kapitalisten, Technokraten, Bürokraten… Ohne Zerstörung keine Wiedergeburt. Jahrelanges Aufladen der Aggressionsbatterien, dann blitzartige Entladung… Gewalt als Argument derer, die zuwenig abbekommen haben vom größtmöglichen Glück der größtmöglichen Zahl. Wie überall und immer…
    «Mein Gott, wenn man das weiß, dann muß man’s doch auch steuern können!» Q-Müller, der fuhr, schlug mit beiden Händen auf das Lenkrad. «Schon vorher was tun, bevor es Tote gibt und alles in Schutt und Asche fällt!»
    «Ha ha!» machte Herbert. «Und
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