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Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)

Titel: Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)
Autoren: H. Gilbert Welch , Lisa M. Schwartz , Steven Woloshin
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Vorwort zur deutschen Ausgabe
    »Überdiagnose« und »Überbehandlung« – diese kritischen Stichworte zur präventiven Medizin sind in Deutschland noch nahezu unbekannt. Gilbert Welch, Professor an der ambitionierten Geisel School of Medicine in Dartmouth, USA, diagnostiziert in Amerikas Gesundheitssystem eine Flut von bestenfalls sinnlosen, vielfach aber schädlichen Maßnahmen, die aufgrund einer überbordenden Vorsorgementalität getroffen werden. Overdiagnosed ist der Originaltitel der amerikanischen Ausgabe des vorliegenden Buches. Gilbert Welchs Argumentation ist brillant und die Untermauerung seiner Thesen mit den besten wissenschaftlichen Studien lässt keine Zweifel an der Stichhaltigkeit seiner Analyse aufkommen. Aber trifft diese Kritik an der »Diagnosefalle« auch auf das deutsche Gesundheitssystem zu? Vielleicht könnte ja schon allein das strengere amerikanische Arzthaftungsrecht in den USA zu übervorsichtigen Medizinern führen, die jedes noch so geringe Risiko abklären wollen, um der Gefahr einer Klage durch »unterdiagnostizierte« und schließlich erkrankte Patienten vorzubeugen?
    Leider ist das nicht der Fall. Längst sind medizinische Grenzwerte – etwa für Bluthochdruck, Diabetes oder Cholesterin – wie sie in den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften definiert werden, »internationales Geschäft«. Auch deutsche Ärzte raten gerne zu Vorsorgeuntersuchungen, mit dem Versprechen, das Risiko für einen Tod durch Krebs zu verringern, oder überwachen Schwangere und ihre ungeborenen Babys engmaschig mit Ultraschall und geben sich damit die Aura des fürsorglichen Helfers. Millionenfach jedes Jahr wird in Deutschland medizinischer Alarm geschlagen, weil in Untersuchungen Anomalien gefunden werden, Abweichungen von »Normalzuständen«. Auf Bildern aus dem CT, dem MRT, dem PET und anderen bildgebenden Verfahren oder im »Blutbild« aus dem Labor. Doch wie groß ist das Risiko, dass diese Abweichungen zu einer Gefahr für die Betroffenen werden? Und folglich: Wie groß ist der Nutzen, den Betroffene von der Behandlung ihrer Anomalien haben? Mindestens ebenso gravierend ist eine weitere Frage, über die aber zu selten gesprochen wird: Wie groß ist die Gefahr, dass die vorsorgliche Diagnose und die daraus resultierende Behandlung den Betroffenen Schaden zufügt? Und: Wie ist das Nutzen-Schaden-Verhältnis? Das sind die Fragen, denen Welch akribisch und unerbittlich nachspürt.
    Ein bestechendes Merkmal von Gilbert Welchs Buch ist sein moderater Ton. Er ist vorsichtig mit Schuldzuweisungen und dem Unterstellen niedriger Beweggründe. Das ist bemerkenswert, geht es bei der präventiven Medizin doch nicht zuletzt um einen Markt, der viele Milliarden Euro schwer ist. Doch Welch konzentriert sich auf die Suche nach dem Nutzen präventiver Maßnahmen, zeigt Stolperfallen in der Wahrnehmung von statistischen Daten und versucht, Gesundheitsrisiken unvoreingenommen abzuschätzen. Das sollte das Buch auch für Mediziner interessant machen, die ein »Ärztehasserbuch« oder ein medizinkritisches Werk nur ungern in die Hand nehmen. Es wäre großartig, wenn Welchs Buch dazu beitragen könnte, dass auch in den Reihen der Medizin der kritische Umgang mit etablierten Verfahren gefördert und eine breite Diskussion über Überdiagnostik und Überbehandlung angestoßen würde. Aber auch für medizinische Laien, für uns überdiagnostizierte oder tatsächliche Patienten, ist Die Diagnosefalle ein überaus erhellendes und bereicherndes Leseerlebnis.
    Frank Wittig, Autor des Spiegel -Bestsellers Die weiße Mafia

Einführung
Unsere Diagnosebegeisterung
    Mein erstes Auto war ein Ford Fairlane Kombi Baujahr 1965, ein ziemlich einfacher, wenn auch großer Wagen. Unter der Motorhaube war viel Platz, und es gab wenig Elektronik, abgesehen von einem Motortemperatur- und einem Öldruckanzeiger.
    Bei meinem 99er-Volvo ist das ganz anders. Es gibt keinen Leerraum unter der Haube – aber eine Menge Elektronik. Und dann sind da noch etliche Warnlämpchen, die so viele verschiedene Funktionen meines Autos überwachen, dass sie mit einem internen Computer verbunden sein müssen, damit dieser feststellt, ob etwas nicht in Ordnung ist. Zweifellos sind die Autos im Laufe meines Lebens besser geworden. Sie sind sicherer, bequemer und zuverlässiger. Die Technik ist besser. Aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Verbesserungen viel mit all diesen kleinen Warnlampen zu tun haben.
    Die Motorkontrollleuchten – rote
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