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Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Titel: Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Stefan Keller
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Teil 1– Angst

1
    Graue Wolken hingen über der Stadt, doch die Kölner Straßen flimmerten
förmlich vor Farben. Rotschwarze Teufel, hellgrüne Chirurgen, weiße Krankenschwestern,
gelbe Küken, blaue Schlümpfe, Lappenclowns in allen Farben zogen in Gruppen durch
die Stadt oder sammelten sich vor den Eingängen der Kneipen. Um hineinzugelangen
oder um einen Moment frische Luft zu schnappen.
    In der frühen Dunkelheit des Abends
standen sie auch vor dem Lokal ›Zum Treuen Husar‹ in der Kölner Südstadt und warteten
frierend auf Einlass. Vor der Eingangstür hielten zwei kräftige, ganz in schwarz
gekleidete Männer mit roten Perücken die leise protestierende Menge davon ab, hineinzugehen.
Denn das Lokal war bereits bis zum Bersten gefüllt. Vor der Theke warteten die Durstigen
in drei Reihen und wurden von vier zügig arbeitenden Kellnern bedient. Dahinter
drängelten die Gäste zum Ausgang oder zu den Toiletten und in den hinteren Saal
hinein. Dieser war bis auf die fest installierten Bankreihen an der Wand leer geräumt,
doch die Bänke waren lediglich zu erahnen, denn die Jecken, die auf ihnen standen,
überragten alle anderen um zwei Köpfe. Viele hielten sich in den Armen, schunkelten
und sangen, was das Zeug hielt; einträchtig tanzten Polizisten mit Piraten, Engelchen
mit Teufelchen. Zu ihren Füßen hockten – ganz dicht am Rand der Bank und in steter
Gefahr, abzustürzen – die ersten knutschenden Pärchen – der Clown mit der Matrosin,
das Känguru mit der Fee –, die sich erschöpft und erhitzt von der Tanzfläche an
die Seiten durchgekämpft hatten.
    In der Mitte des Saals tobte das
Leben am lautesten. Polonaisen umkreisten tanzende Gruppen von Piloten und Stewardessen,
Schornsteinfeger, Prinzessinnen und Kühe tanzten Ringelreigen und sangen lautstark
mit, wobei sie den Sound aus den viel zu kleinen Boxen in den Ecken des Raumes locker
übertönten.
    Niemand beachtete den Scheich mit
der dunklen Sonnenbrille und dem schwarzen Rucksack, der sich allein bis an den
Rand des Saals vorkämpfte. Hinterher würde sich keiner daran erinnern können, ob
er dort noch gestanden hatte, als die Fröhlichkeit in einem dumpfen, erschreckend
unspektakulären Knall endete.
    Rauch füllte den Raum binnen weniger
Augenblicke. Schmerzensschreie übertönten die Musik, die kurz darauf abrupt endete.
In der folgenden Stille wirkten die Hilferufe und das Getrampel Hunderter Fußpaare
weit hoffnungsloser. Panisch stürmte jeder, der noch konnte, auf den engen Gang
an der Theke zu, um nur irgendwie ins Freie zu gelangen. Manche hielten ihre Begleiter
an der Hand, andere klammerten sich an wildfremde Menschen, um von der verängstigen
Menge nicht überrannt zu werden.
    Dabei hatten die, die es bis hierhin
schafften, noch Glück im Vergleich zu denen, die in der grauen Wolke zurückblieben.
     
    Als die Kölner Kriminalkommissarin Paula Wagner den Opel Vectra ihres
Chefs, Hauptkommissar Hannes Bergkamp, eine halbe Stunde später vor dem Eingang
der Eckkneipe parkte, hatte sich die Szenerie vor dem Lokal vollkommen verändert.
Den Ubierring hinunter standen drei Feuerwehrfahrzeuge gegen die Fahrtrichtung,
die Querstraßen waren durch Krankenwagen und Einsatzfahrzeuge der uniformierten
Kollegen blockiert. Dutzende kreisende Lichter tauchten die Kreuzung in ein kaltes,
unwirklich scheinendes bläuliches Licht.
    Sanitäter, Streifenbeamte und Feuerwehrleute
gingen auf den ersten Blick routiniert ihrer Arbeit nach, Kostümierte sammelten
sich abseits auf der rheinwärts führenden Straßenseite des Rings und beobachteten
stumm das Geschehen; vor den Eingängen der anderen Eckkneipen und in der Nähe der
Kreuzung standen ebenfalls verkleidete Menschen und sahen zu, wie die Helfer ihr
Bestes gaben. Paula beobachtete die Szene einen Augenblick aus dem Wagen heraus,
Hannes Bergkamp neben ihr stieß sie kurz an, dann stieg er aus und die Kommissarin
folgte ihm.
    Es war die Stille, die den stärksten
Eindruck hinterließ, als sie das Dienstfahrzeug verlassen hatten. Niemand sprach,
die Menschen hinter den Absperrungen blickten stumm hinüber, einige hatten Handys
gezückt und filmten das Geschehen. Paula war sich sicher, dass sie in spätestens
einer Stunde die ersten dieser Filme im Internet würde sehen können. Diese Stille
würden die Filme nicht greifen können. Es war das, was man am wenigsten erwartete,
wenn man an den Tatort eines Anschlags kam, wenn dort dutzende Menschen standen
und Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei
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