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Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache
Autoren: Ulrike Schweikert
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seine seltsame Art zu sprechen. Er klang, als wäre er einem alten Film entstiegen. Auch fragte etwas in ihr, wie er ihr Weinen gehört haben konnte. Die Gedanken versanken jedoch in dem Nebel, der durch ihr Gehirn zog.
    „Glück, Freude", wiederholte sie stattdessen laut und lauschte diesen Worten nach, als habe sie sie noch nie vernommen. „Über was soll ich mich freuen? Kann ich jemals Glück empfinden? Ich werde mich hier auf der Stelle ins Wasser stürzen. Vielleicht ist es dann wenigstens friedlich."
    Tränen füllten ihre Augen und rannen über ihre Wangen herab.
    Peter von Borgo hob fragend die Brauen. Offensichtlich war der Damm gebrochen, und es war keine weitere Aufforderung nötig.
    „Sie wollen mich einsperren", schluchzte das Mädchen. „Er hat getobt und mich geschlagen, und nun will er mich wegbringen, bis alles vorbei ist. Sie hat nur genickt und geweint und mich vorwurfsvoll angesehen. Ich sei die größte Enttäuschung ihres Lebens. Zum Pfarrer ist sie gelaufen und hat mit ihm darüber geredet, und er hat ihr die Adresse gegeben." Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Marienstift Schwagstorf. Zu den Franziskanerinnen wollen sie mich abschieben." Das Schluchzen nahm einen hysterischen Klang an. Ihr Begleiter zog angewidert die Oberlippe hoch und rückte ein Stück von ihr ab.
    „Ich halte das nicht aus. Ich sterbe, wenn ich allein bin. Rose darf nicht mitkommen. Ich zittere schon, wenn ich eine Stunde ohne sie bin. Es ist alles so dunkel um mich. Ich kann das nicht aushalten. Nachts sehe ich immer diese Gesichter um mich. Böse Fratzen, die näher und näher kommen. Ich will schreien und davonlaufen, doch ich kann mich nicht rühren, und kein Ton kommt aus meinem Mund. Es drückt mir die Luft ab. Ich ersticke, wenn Rose nachts nicht meine Hand hält." Sie wischte sich die Tränen an ihrem Ärmel ab und sah auf die Elbe hinaus. Ihre Stimme war noch immer leise, aber der jämmerliche Klang war nun verschwunden.
    „Ich habe Angst davor, die Augen zuzumachen, doch irgendwann ist die Erschöpfung stärker, und dann beginnt es von Neuem. Immer wieder, immer wieder." Sie riss in Panik die Augen auf und starrte den Mann an ihrer Seite an, doch sie sah etwas anderes.
    „Nein, lieber springe ich in den Fluss. Das Wasser macht mir auch Angst, aber ich weiß, es dauert nicht lange, und dann ist alles für immer zu Ende." Ihr Blick kehrte aus der Ferne zurück und richtete sich nun voller Erstaunen auf Peter von Borgo.
    „Was ist nur in mich gefahren?", murmelte sie und schüttelte den Kopf.
    Der Mann betrachtete das braun schäumende Wasser und sah dann wieder zu dem Mädchen an seiner Seite, das ihn noch immer verwirrt anstarrte.
    „Nun, ich will mich nicht einmischen", sagte er. „Das Ertrinken soll eine qualvolle Sache sein, aber Schmerz und Krämpfe währen nicht ewig. Da hast du sicher recht." Er streckte den Arm aus und deutete auf den Fluss hinaus. „Wenn du fest entschlossen bist, diesen Schritt zu tun -gut, ich werde dich nicht aufhalten. Die Flut wird deine Leiche mit sich nehmen." Das Mädchen schwieg. „Andererseits habe ich nur zu oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen auch das größte Leid schnell überwinden. Sie sind vergesslich. Die Zeit schleift die Kanten ab, wie das Wasser am Grund dieses Stroms die Kiesel rundet. Gib den Mühlen der Zeit zehn Jahre. Was hast du zu verlieren? Ist der Schmerz nach dieser Zeit immer noch da, ja, dann spring! Die Elbe wird dich auch dann noch aufnehmen."
    Das Mädchen öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Vom Geesthang her näherten sich eilige Schritte. „Rabby?", erklang eine atemlose Stimme. „Rabby? Bist du hier draußen? Verdammt, antworte mir!"
    Ein Mädchen rannte zwischen den hohen Gräsern auf das Ufer zu. Peter von Borgo konnte zwischen den Weidenzweigen ihre Silhouette im Mondlicht sehen. Sie war nicht nur größer als die Gestalt an seiner Seite, ihr Körper zeigte auch äußerlich, dass sie das Kindsein hinter sich gelassen hatte. Ein üppiger Busen wippte unter ihrem knappen T-Shirt, das die schmale Taille freiließ. Hüften und Schenkel waren durchaus fraulich zu nennen. Ihr langes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, flatterte hinter ihr her, als sie über den Sand auf die beiden Schatten am Ufer zulief. Die Hände in die Taille gestützt, blieb sie schwer atmend stehen.
    „Rabby, warum antwortest du nicht? Ich habe mir Sorgen gemacht! Ich dachte, du
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