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Feuer der Rache

Titel: Feuer der Rache
Autoren: Ulrike Schweikert
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über die Frau wandern, die heute viel älter wirkte als dreißig Jahre: Ihre Wangen waren eingefallen, die Schatten unter den Augen nicht mit Make-up überdeckt. Trotz der Strähnchen war ihr Haar stumpf. Das weite T-Shirt und die Schlupfhose waren nicht gerade vorteilhaft und verbargen die eigentlich schlanke Gestalt. Sönke schüttelte den Kopf.
    „Ach, mien Deern, du bist Kriminaloberkommissarin, du darfst dich doch nicht so gehen lassen."
    „Oberkommissarin?", fauchte Sabine. „Das war ich mal! Jetzt bin ich eine Irre, vor der man die Menschheit beschützen muss!" Tränen standen ihr in den Augen. Rasch wandte sie sich ab und wischte sich mit einem zerknüllten Taschentuch über das Gesicht.
    Sönke seufzte. Er trat neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. „Du bist nicht irre. Nur weil so ein bekloppter Seelendoktor so was sagt, glaubt das doch kein Mensch."
    „Der Tieze glaubt es!"
    Sönke schnaubte durch die Nase. „Der Tieze, dieser Klookschieter", wiederholte er verächdich, und sein Ton sagte deutlich, was er von der Urteilskraft des Kriminaloberrates, Chef der LKA-Direktion 41, hielt. „Auch Thomas sagt, das ist alles dumm Tuch."
    Sabine seufzte noch einmal. Ihre Schultern sackten nach vorn. „Dumm Tuch oder nicht. Leider tut es nichts zur Sache, was wir oder auch Thomas über ihn denken. Der Tieze entscheidet, ob ich -weil ich die angeordnete Therapie verweigere -vom Dienst suspendiert werde oder nicht."
    Sönkes Hand rutschte von ihrer Schulter. Mit schwerem Schritt ging er in die Küche hinüber. „Jau, da hast du leider recht. Aber noch bist du ja nur krankgeschrieben."
    „Und? Wenn ich nicht bald eine Bescheinigung von diesem Seelenheini bringe, dann bin ich suspendiert."
    Sabine hörte, wie er Schranktüren öffnete und wieder zufallen ließ.
    „Hast du keinen ordendichen Tee im Haus? Den maddeligen Murks hier kann man nicht mal mit Rum trinken!"
    Ein Lächeln erhellte Sabines Gesicht. Wie sehr vermisste sie den Kriminalobermeister, der, seit sie beim LKA angefangen hatte, das Büro mit ihr teilte. Er war meist wortkarg, oft schlecht gelaunt und doch auch die gute Seele, die immer auf dem Teppich blieb, wenn die fünf Mitglieder der 4. Mordbereitschaft nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand. Dann gab es Sönkes Allheilmittel: starken Friesentee mit Sahne und Rum.
    Sabine eilte in die Küche und reichte Sönke die Teedose, bevor er auch noch die restlichen Schränke durchwühlte. Während der Wasserkocher zu rauschen begann, lud sie zwei blau-weiße Teebecher, Sahne, Kandis und eine Packung Kekse auf ein Tablett. Sönke klemmte sich seine Rumflasche unter den Arm und ging ins Wohnzimmer zurück. Der Stuhl knackte, als er sich darauf fallen ließ. Sabine hörte die Zeitung rascheln, die noch immer aufgeschlagen auf dem Tisch lag.
    „Verfluchte Schweinerei!", polterte der Kriminalobermeister. „Die sollte man langsam zu Tode quälen! Stattdessen bekommen sie ein Zimmerchen mit Essen frei Haus und sind nach ein paar Jahren wieder draußen!"
    Sabine musste nicht fragen, wen Sönke meinte. Sie hatte den Artikel, der mehr als eine halbe Seite der Hamburger Morgenpost einnahm, bereits gelesen. Ab morgen würde die Geschichte in jedem Boulevardblatt breitgetreten werden. Ein von Adoptiveltern zu Tode gequältes Kind -und die Behörden hatten nichts bemerkt, bis es zu spät war. Die Polizei hatte den neunjährigen Jungen vor zwei Tagen unterernährt und mit Spuren von schwerer Misshandlung ins Krankenhaus gebracht. Mittlerweile jedoch war er -wenn die Journalisten richtig recherchiert hatten -seinen inneren Verletzungen erlegen. Die Jagd nach den grausigen Details der Story war eröffnet. Nun würden Interviews mit Nachbarn folgen und mit den Eltern der Täter, und vielleicht würde sogar ein Bild der leiblichen Mutter auftauchen, die den Sohn zur Adoption freigegeben hatte -händeringend und tränenüberströmt: Das würde die Auflage steigern!
    „Ist es euer Fall?", fragte Sabine, während sie Sönke Tee eingoss.
    Der Kriminalobermeister ließ Sahne in den Becher tropfen und sah zu, wie sie sich mit dem Braun des Tees vermischte.
    „Nein, die Zweite ist da dran. Der Dorst hat den Kleinen vorgestern noch im Krankenhaus gesehen -heute musste er zu seiner Sektion. Der hat nicht gerade erfreut geguckt, als ich ihm heute Morgen über den Weg gelaufen bin."
    „Hat er nicht auch einen Sohn in diesem Alter?", fragte Sabine.
    Sönke nickte nur und starrte düster in seine Tasse.
    „Die
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