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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Autoren: Gwen Bristow
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Erstes Kapitel
    D er Himmel war wie blauer Samt, und der Strom glitzerte in der Sonne.
    Es war Januar 1912.
    Eleanor Upjohn, zehn Jahre älter als das Jahrhundert, saß vor ihrer Schreibmaschine im großen Verwaltungszelt des Deichbaulagers und war damit beschäftigt, die Geschäftskorrespondenz ihres Vaters zu erledigen.
    Der Deichbauunternehmer Fred Upjohn war mit dem Bau des neuen Uferdammes beauftragt. Er saß an seinem Schreibtisch, las aufmerksam die Briefe durch, die seine Tochter geschrieben hatte, und unterzeichnete sie. Die Nachtischzigarre erlosch darüber; er zerdrückte sie achtlos im Aschenbecher.
    Fred und Eleanor Upjohn waren nicht nur Vater und Tochter, sie waren auch sehr gute Freunde und respektierten einander in jeder Weise.
    Fred hatte dreißig Jahre seines Lebens damit zugebracht, Deiche zu bauen, um den Strom von den Städten und Plantagen zurückzuhalten, die er begrenzte. Als Eleanor vom College zurückkam und ankündigte, daß sie in ihrer Freizeit Stenographie erlernt habe und nun arbeiten wolle, begrüßte er sie sogleich als seine Sekretärin. Das schien völlig selbstverständlich; was hätte sie denn sonst tun sollen? Für Müßiggang irgendwelcher Art war in seiner Vorstellung kein Raum.
    Eleanor, wie sie ihn so vor sich sah, den Brief lesend und nebenbei die Zigarre ausdrückend, mußte daran denken, wie oft sie ihn so gesehen hatte. Sie sah sich selbst als kleines Mädchen in der Ecke hockend, das kühle, ernste Gesicht des Vaters im mattgelben Lichtschein der Petroleumlampe, so wie jetzt; daneben die Mutter, ein Kind auf dem Arm und ein weiteres unter der hohen Wölbung ihres Leibes, wie sie ihn drängte, doch schlafen zu gehen, und ihm doch gleichzeitig Kaffee brachte, um ihn wach zu halten.
    Eleanor war stolz auf den Vater, und sie hatte wohl Grund dazu. Als Sandsackzähler hatte er dereinst begonnen, heute war er der erste Deichbauunternehmer am ganzen Mississippi. Oh, es gab nicht viele Männer, die sich eines solchen Weges rühmen durften! Heute besaßen die Upjohns ein Haus in einer der schönsten und vornehmsten Wohnstraßen von New Orleans, lebten in einer Atmosphäre weiter Behaglichkeit und brauchten sich nichts abgehen zu lassen. Und wenn Fred Upjohn den Strom hinauffuhr, zogen Hunderte von Arbeitern die Mützen.
    Selbst das Zelt, das sie hier draußen bewohnten, zeugte von Würde und Erfolg. Es bildet Herz und Mittelpunkt des bienenemsigen Lagerbetriebes und war zugleich mit dem gediegenen Komfort einer modernen Wohnung ausgestattet, in der sich behaglich leben ließ. Der Fußboden wurde durch drei Fuß lange kunstvoll geschnitzte Dielen gebildet, die abgenommen werden konnten, wenn die Männer das Lager abbrachen, um es an anderer Stelle wieder zu errichten. Die Zeltwände bestanden aus drei Fuß hohen hölzernen Platten, von denen aus Schirmstäbe in regelmäßigem Abstand bis zur Spitze liefen. Darüber waren imprägnierte Leinwandstreifen gespannt, die bei gutem Wetter aufgerollt und bei Regen und Kälte herabgelassen und am Fußboden festgeschnallt werden konnten.
    Das Zelt teilte sich in mehrere Räume. Der Hauptraum war außer den Arbeitspulten mit Eßtisch und Stühlen und einem großen Bücherschrank ausgestattet. Das Rohr des Holzbrandofens wurde mittels einer Metallstütze durch die Leinwandbespannung geführt. Schlafräume und Küche waren einfach, aber zweckmäßig und gediegen eingerichtet.
    Eleanor war gern im Deichbaulager; es machte ihr Freude, mit dem Vater zu arbeiten; es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, sich ein anderes Leben zu wünschen. Dabei war sie ein frisches, natürliches Mädchen, nicht eben hübsch im landläufigen Sinne, aber von einer kühlen und herben Schönheit, so wie eine Stahlbrücke schön ist, deren edle und zugleich zweckmäßige Linienführung das Auge erfreut. Ihr Körper war von einer biegsamen Schlankheit, hart und federnd zugleich, mit den langen Beinen und den ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen, die keine Hast zu kennen schienen. Ihre Züge ließen jede Weichheit vermissen; nein, hübsch konnte man sie wohl nicht nennen, mit der etwas zu langen Nase und dem etwas zu breiten Kinn. Zudem war da ein Zug um den Mund, der von Härte und Willenskraft sprach und nicht eben zum Küssen einlud. Und doch machte gerade die Unregelmäßigkeit der Linien dieses Gesicht in einer merkwürdigen Weise anziehend; Sauberkeit, Ehrlichkeit und Anständigkeit sprachen daraus; kein Zweifel, dies war ein Mädchen, auf das man sich verlassen
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