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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer
Autoren: Diana Gabaldon
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konnte.
    »Ich gehe als erster«, erklärte er und durchquerte festen Schritts die Kate. Als er sich bückte, um unter dem Türsturz hindurchzutreten, legte ihm Lord Melton die Hand auf den Arm.
    »Bitte geben Sie mir Ihren vollen Namen, Sir! Mein Schreiber muß ihn notieren.«
    Die Mundwinkel zu einem bitteren Grinsen verzogen, sah MacDonald den Schreiber an.
    »Aha, Sie stellen ein Verzeichnis Ihrer Trophäen auf! Aye, wie Sie wollen.« Er zuckte die Achseln und richtete sich auf. »Duncan William MacLeod MacDonald von Glen Richie.« Höflich verbeugte er sich vor dem Lord. »Zu Ihren Diensten - Sir!« Er trat aus der Tür, und kurz darauf ertönte in der Nähe ein einzelner Pistolenschuß.
    Die Jungen ließ man gemeinsam gehen. Sie hielten sich bei den Händen, als sie den Raum verließen. Die anderen wurden einzeln abgeholt. Der Schreiber notierte ihre Namen. Er saß auf einem
Schemel an der Tür, hielt den Kopf gesenkt und sah keinen der Männer an, die an ihm vorbeigeführt wurden.
    Als Ewan an der Reihe war, stützte Jamie sich schwerfällig auf die Ellenbogen und drückte die Hand seines Freundes, so kräftig er konnte.
    »Wir sehen uns bald wieder«, flüsterte er.
    Ewans Hand zitterte. Trotzdem brachte er ein Lächeln zustande. Dann beugte er sich vor, küßte Jamie auf die Lippen und trat seinen Weg an.
    Zum Schluß waren sechs Männer übrig, die nicht allein gehen konnten.
    »James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser«, sagte Jamie langsam, damit der Schreiber alles richtig festhalten konnte. »Herr von Broch Tuarach.« Dann sah er zu Lord Melton auf.
    »Könnten Sie mir die Hand reichen, Mylord, und mir auf die Beine helfen?«
    Melton antwortete nicht. Anstelle des distanzierten Widerwillens zeigte sich auf seinem Gesicht plötzlich Erstaunen und auch Erschrecken.
    »Fraser?« fragte er. »Von Broch Tuarach?«
    »Ja«, erwiderte Jamie geduldig. Konnte sich der Mann nicht ein wenig beeilen? Den sicheren Tod durch eine Gewehrkugel vor Augen zu haben war schon schlimm genug, aber zuvor miterleben zu müssen, wie die Freunde erschossen wurden, hätte auch den stärksten Mann um die innere Ruhe gebracht.
    »Verdammt und zugenäht!« murmelte der Engländer. Er beugte sich über Jamie, der im Schatten der Wand lag, und musterte ihn lange. Dann winkte er seinen Leutnant heran.
    »Helfen Sie mir, ihn ins Licht zu schaffen«, befahl er. Sie gingen nicht gerade vorsichtig zu Werke, und Jamie stöhnte vor Schmerzen auf. Für kurze Zeit war er wie benommen und hörte deshalb nicht, was Lord Melton zu ihm sagte.
    »Sind Sie der Jakobit, den man auch der ›rote Jamie‹ nennt?« wiederholte der Lord ungeduldig.
    Jamie wurde von nagender Angst gepackt. Wenn sie erfuhren, daß er der berüchtigte rote Jamie war, würden sie ihn nicht erschießen. Sie würden ihn in Ketten nach London bringen und ihm dort den Prozeß machen. Danach erwartete ihn das Seil des Henkers,
und wenn er halb erstickt auf den Holzplanken lag, würden sie ihm den Leib aufschlitzen und die Eingeweide herausreißen.
    »Nein«, sagte er, so fest er konnte. »Bringen wir es hinter uns.«
    Ohne auf seine Worte zu achten, ging Melton in die Knie und riß Jamies Hemdkragen auf. Dann zerrte er seinen Kopf nach hinten.
    »Verdammt!« fluchte Melton. Er strich Jamie mit dem Finger über die Kehle. Dort ertastete er eine feine, dreieckige Narbe, offensichtlich das, was ihn so in Unruhe versetzte.
    »James Fraser von Broch Tuarach, rotes Haar und eine dreieckige Narbe an der Kehle.« Melton ließ Jamie los und sank nach hinten auf die Fersen. Gedankenverloren strich er sich übers Kinn. Dann raffte er sich auf und wandte sich an den Leutnant. Er deutete auf die fünf Männer, die sich noch in der Kate befanden.
    »Kümmern Sie sich um den Rest«, befahl er. Mit mißmutiger Miene stand er über Jamie gebeugt, während die fünf Schotten hinausgebracht wurden.
    »Ich muß nachdenken«, murmelte er finster. »Zum Teufel, ich muß nachdenken.«
    »Tun Sie das«, entgegnete Jamie, »wenn Sie dazu in der Lage sind. Ich muß mich allerdings hinlegen.« Sie hatten ihn gegen die Wand gelehnt, aber zwei Tage des Krankenlagers hatten an seinen Kräften gezehrt. Der Raum schien zu schwanken, und goldene Lichtblitze tanzten vor seinen Augen. Er rollte sich auf die Seite und ließ sich vorsichtig wieder auf den Boden gleiten. Dann schloß er die Augen und wartete, daß die Benommenheit nachließ.
    Was Melton unterdessen vor sich hin murmelte, konnte er nicht verstehen,
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